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26. Rhetorik. Zuvörderst, ihr Athener, bitte ich alle Götter und alle Göttinnen, daß sie mich dieselbe aufrichtige Zuneigung, welche ich jederzeit gegen die Stadt und gegen euch Alle gehegt, nunmehr auch von euch in meinem gegenwärtigen Rechtsstreite erfahren lassen; sodann, daß sie, Was gewiß höchst billig ist, euch in den Sinn geben mögen, meinen Widersacher schweigen zu heißen, mir hingegen zu gestatten, meine Anklage so, wie ich mir vorgenommen und bei mir selbst überlegt habe, auszuführen.[1] Wenn ich freilich auf die Reden sehe, welche ich von meinem Gegner höre, so muß ich ganz anders von ihm denken, als wenn ich betrachte, Was er mit der That mir zufügt. Die Worte, die er vor euch machen wird, werden meiner Art zu reden ganz ähnlich seyn. Allein mit seinem Betragen gegen mich ist es, wie ihr sehen werdet, dahin gekommen, daß ich sehr darauf bedacht seyn muß, gegen eine noch ärgere Begegnung mich sicher zu stellen. Doch, damit mein Wasser nicht länger nutzlos zerrinne, will ich ohne weitern Eingang zu der Anklage selbst schreiten.

27. Diesen Mensen, meine Richter, traf ich als einen ganz jungen Burschen in Ionien, als er noch eine rauhe, barbarische Mundart sprach, und kaum eben den Kandys, die Assyrische Tracht seiner Heimath, abgelegt zu haben schien. Er lief damals in der Welt umher, ohne recht zu wissen, Was er aus sich machen sollte. Da nahm ich mich seiner an, und ertheilte ihm Unterricht. Wirklich fand ich an ihm einen


  1. Dieser und die zunächst folgenden Sätze sind größtentheils aus den Eingängen der Demosthenischen Rede für den Kranz und den dritten Olynthischen geborgt.
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Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 1274. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_1274.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)