Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

20. Was für ein Mann oder Weib wurde aber nach jener Hetäre aus dir?

Der Hahn. Krates, der Cyniker.

Micyll. Hilf Kastor und Pollux, welche Extreme, aus einer Hure ein Philosoph!

Der Hahn. Sofort wurde ich ein König, darauf ein Bettler, dann ein Satrap, ein Pferd, eine Dohle, ein Frosch und tausenderlei Anderes, mit dessen Aufzählung ich mich nicht aufhalten will. Zuletzt wurde ich zum Hahn, was ich nun schon zu wiederholtenmalen bin, indem ich besonderes Wohlgefallen an diesem Leben habe. Und nachdem ich in dieser Gestalt vielen Andern, Fürsten, und reichen und armen Leuten gedient habe, lebe ich nun endlich bei dir, und belustige mich täglich an deinen Klagen und Seufzern über Armuth, und an deiner Unwissenheit, welche dich das Loos der Reichen bewundern und glücklich preisen läßt. O wüßtest du, wie vieles Ungemach, wie viele Sorgen damit verbunden sind, du würdest über dich selbst lachen, daß du glauben könntest, Wer Geld habe, sey im höchsten Grade und ununterbrochen glücklich!

Micyll. Je nun, Pythagoras, oder wie du dich am liebsten nennen hörest, damit keine Verwirrung entstehe, wenn ich dich bald so, bald anders heiße …

Der Hahn. Es verschlägt nichts, ob du mich Euphorbus, Pythagoras, Aspasia oder Krates nennest: denn ich bin dieses Alles noch. Am besten wirst du übrigens thun, wenn du mich heißest, was ich gegenwärtig vor deinen Augen bin, nämlich einen Hahn; sonst müßte ich es als Mißachtung gegen einen Vogel aufnehmen, der nicht so unbedeutend ist, als er scheint, sondern so nahmhafte Seelen im Leibe hat.

Empfohlene Zitierweise:
Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 1167. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_1167.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)