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aus seinem Staate verbannt, will er jene in allen Ehren gehalten wissen.

35. So viel vom Tanze überhaupt: es wäre abgeschmackt, wenn ich durch eine weitere Ausführung aller Einzelheiten meine Darstellung in die Länge dehnen wollte. Ich spreche also von dem mimischen Tänzer selbst, von den Erfordernissen zu einem solchen, von den Fertigkeiten und Kenntnissen, die dieser besitzen muß, um stark in seiner Kunst zu seyn; damit du dich überzeugen könnest, daß diese Kunst keine von denen sey, mit denen sich so leicht fertig werden läßt, sondern einen sehr hohen Grad der vielseitigsten Geistesbildung und die Bekanntschaft nicht blos mit Musik und Rhythmik, sondern sogar mit der Geometrie und ganz besonders auch mit eurer Philosophie, aber freilich nur der Physik und der Ethik, voraussetze; denn die Spitzfindigkeiten der Dialectik haben mit dieser Kunst nichts zu schaffen. Ja auch die Rhetorik darf ihr nicht fremd seyn, insoweit sie es mit der Darstellung der Seelenzustände zu thun hat, was ja die Aufgabe ist, nach deren Lösung auch die Redner trachten. Nicht minder ist sie mit der Malerei und Plastik verwandt, indem sie ähnlich, wie diese, bemüht ist, schöne Formen zu schaffen, so daß selbst ein Apelles und Phidias hierin nichts vor ihr voraus zu haben scheinen.

36. Vor Allem aber muß es dem mimischen Tänzer darum zu thun seyn, die Mnemosyne [Göttin des Gedächtnisses] und ihre Tochter Polyhymnia sich gewogen zu machen, und ein umfassendes Wissen in seinem Gedächtnisse zu bewahren. Er muß seyn, wie Calchas bei Homer,[1]

der erkannte, was ist, was seyn wird, oder zuvor war;


  1. Iliade I, 70.
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Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 882. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_0882.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)