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Crato. Ich will auf der Stelle des Todes seyn, wenn ich mich jemals so weit vergessen soll, solange ich noch Haare an den Beinen und ein unberupftes Kinn behalte. Ich kann nichts, als dich bedauern, mein Freund, daß dich die Bacchantenwuth schon so gänzlich ergriffen hat.

6. Lycinus. Höre auf, dich zu ereifern, mein Freund, und laß dir nur etwas Weniges von dem mimischen Tanze [der Pantomimik] und seinen hohen Vorzügen sagen: ich werde dir zeigen, daß er nicht blos ein sehr unterhaltendes, sondern auch ein nützliches, bildendes und belehrendes Schauspiel gewähre, welches, indem es uns an das Beschauen der schönsten Formen gewöhnt und zugleich in einer Welt voll herrlicher Töne einheimisch macht, all das Schöne, was nur immer dem innern und äußern Sinne geboten werden kann, harmonisch vereinigt und so den Geschmack des Zuschauers bildet und regelt. Daß übrigens diese Wirkungen in Begleitung der Musik und des Rhythmus hervorgebracht werden, darin sehe ich eher ein Lob, als einen Vorwurf der pantomimischen Kunst.

Crato. Ich habe wahrlich nicht so viele überflüssige Zeit, um einem toll gewordenen Menschen zuzuhören, der seiner Krankheit eine Lobrede hält. Jedoch – weil du nun einmal so große Lust hast, deine Narrheit über mich auszugießen, so will ich dir den Freundschaftsdienst erweisen, und dir geduldig meine Ohren leihen, da ich wohl auch, ohne sie mit Wachs zu verstopfen, faules Geschwätz an mir vorbei gehen lassen kann. Ich werde dir also in aller Stille zuhören; sprich, als ob du ganz ohne Zeugen wärest.

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Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 867. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_0867.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)