40. Bei diesen Fackelaufzügen und mystischen Tänzen ließ er es absichtlich geschehen, daß sich zuweilen sein Bein entblößte, welches, weil er es vermuthlich in eine Hose von vergoldetem Leder gesteckt hatte, im Schein der Fackeln wie lauteres Gold leuchtete. Sogleich erhob sich ein Zank zwischen zwei philosophischen Narren über die Frage, ob durch diesen goldenen Schenkel bewiesen sey, daß wirklich die Seele des Pythagoras, oder nur eine derselben sehr ähnliche in Alexandern wohne? Sie brachten die Streitfrage vor den Propheten selbst, und der König Glycon löste den Zweifel durch folgenden Ausspruch:
Zwar des Pythagoras Geist wächst wechselsweise und schwindet:
Aber der Geist des Propheten ist aus Zeus Geiste ein Senker;
Ihn hat der göttliche Vater den Guten zum Helfer gesendet.
Wieder kehrt er zu Zeus, getroffen vom himmlischen Blitzstrahl.
41. Ungeachtet er die Knabenliebe als etwas Gottloses männiglich untersagt hatte, war der Ehrenmann gleichwohl schlau genug, sich selbst auf folgende Weise zu bedenken. Er legte den Städten in Pontus und Paphlagonien die Verpflichtung auf, ihm alle drei Jahre eine Anzahl Orakeldiener zu schicken, welche die Hymnen auf den Gott bei ihm absingen sollten. Diese Leute mußten nach genauer Prüfung aus den vornehmsten, blühendsten und schönsten Jünglingen ausgelesen werden. Alexander hielt sie in seinem Gewahrsam, bediente sich ihrer nach Gefallen, als ob er sie um sein Geld gekauft hätte, schlief bei ihnen, und erlaubte sich allen Muthwillen gegen sie. Er hatte auch die Verordnung gemacht, daß Niemand über achtzehn Jahre ihn mit einem Kusse grüßen dürfe: diese Ehre gestattete er nur jungen und blühenden Leuten,
Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 847. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_0847.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)