Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

versiegeln sollte. Er würde sich hierauf die Tafeln geben lassen, sich damit in das Innere des Tempels begeben (denn dieser wurde inzwischen ausgebaut, und die Scene fertig), nach einiger Zeit aber, wenn er die Aussprüche des Gottes vernommen, die Eigenthümer der Schreibtafeln durch einen Herold und einen Theologus der Ordnung nach aufrufen lassen, und Jedem die seinige unerbrochen, wie sie war, wieder zustellen, wo dann Jeder eine, auf seine Frage genau passende, Antwort des Gottes geschrieben finden würde.

20. Einem Mann, wie du – und wie ich, möchte ich hinzusetzen, wenn es nicht zu unbescheiden klänge – kann es nicht schwer seyn, einen Kunstgriff zu durchschauen, der den blöden Augen jener Einfältigen als etwas Unbegreifliches und Wunderbares erscheinen mußte. Alexander, der mehr als Eine Art, versiegelte Schriften heimlich zu öffnen, ausfindig gemacht hatte, las die Fragen alle, beantwortete jede nach Gutdünken, band die Schreibtafel wieder zu, versiegelte sie, und gab sie zum größten Erstaunen des Besitzers zurück. „Wie wäre es möglich,“ so lautete die allgemeine Meinung, „Alles zu wissen, was unter Siegeln von schwer nachzuahmendem Gepräge geschrieben steht, wenn dieses Alles wissende Wesen nicht wirklich ein Gott wäre?“

21. Aber du fragst vielleicht, welches die sinnreichen Mittel waren, deren er sich bediente? So höre denn, um bei Gelegenheit dergleichen Betrügereien aufdecken zu können. Eines dieser Verfahren, mein bester Celsus, ist folgendes: er löste mittelst einer glühenden Nadel das Wachssiegel von der Schreibtafel ab, und nachdem er den Inhalt gelesen, erwärmte er mit seiner Nadel sowohl den Theil des Wachses,

Empfohlene Zitierweise:
Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 834. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_0834.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)