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wie wir uns jetzt befinden, und was wir zu thun haben, wenn es nie schlimmer mit uns werden soll. Daß wir auf einem dürren Felsen leben und steinigten Boden bebauen, brauchen wir uns nicht erst von Homer[1] sagen zu lassen: der Augenschein lehrt es. Käme es also blos auf unsern Boden an, wir wären von unaufhörlicher Hungersnoth geplagt. Allein unser Tempel mit dem Pythischen Gotte, das Orakel, die Frommen mit ihren Opfergaben, das sind Delphi’s Aecker, das seine Einkünfte, von da kommt sein Unterhalt, ja sein ganzer Reichthum. Denn warum sollten wir nicht, uns selbst wenigstens, die Wahrheit gestehen? Alles wächst uns von selbst

Ohne des Pflanzers Sorg’ und des Ackerers –

wie Homer sagt;[2] und Apollo ist gleichsam selbst unser Landwirth, der uns aber nicht blos alle Früchte liefert, die bei den übrigen Griechen wachsen, sondern auch die Produkte Phrygiens, Lydiens, Persiens, Assyriens, Phöniziens, Italiens und sogar der Hyperboräer Lande hieher schafft. Und in der That, wir genießen nach dem Gotte die größte Ehre von allen Sterblichen, leben im Ueberfluß und befinden uns ganz glücklich. So war es vor Alters, so ist es bis auf den heutigen Tag, und möchte es nie anders werden!

9. Auch weiß kein Mensch sich zu erinnern, daß bei uns je über die Annahme eines Tempelgeschenkes abgestimmt worden wäre, noch auch daß man einem Fremden verboten hätte, ein Opfer oder eine Gabe darzubringen. Und eben


  1. Il. II, 519: „– die felsige Python.“
  2. Odyss. IX, 109.
Empfohlene Zitierweise:
Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 816. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_0816.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)