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6. Bezaubert von allen diesen Eindrücken legten wir an dem Ufer vor Anker und stiegen an’s Land, während Scintharus nebst zweien unserer Cameraden im Schiffe zurückblieb. Wir giengen über eine blühende Aue landeinwärts, als wir auf einmal einigen Wache haltenden Männern begegneten, die uns mit Rosengewinden banden, der stärksten Art von Fesseln, die man hier kennt, und uns vor ihren Gebieter führten. Unterwegs erfuhren wir von ihnen, daß diese Insel das Eiland der Seligen hieße, und von Rhadamanth aus Creta beherrscht würde. Wir wurden ihm also vorgestellt, und nahmen die vierte Stelle in der Reihe der Parthieen ein, die er eben zu verhören hatte.

7. Die erste Sache, die zu entscheiden war, betraf den Sohn des Telamon, Ajax, ob er in die Gesellschaft der Heroen zuzulassen sey, oder nicht. Man hatte klagweise gegen ihn eingewendet, daß er rasend gewesen und sich selbst entleibt habe. Nach vielem Hin- und Herreden that endlich Rhadamanth den Ausspruch: vor allen Dingen solle Beklagter dem Arzte Hippokrates in eine Nießwurzkur übergeben werden, sodann aber, wenn er wieder zu gesundem Verstande gelangt seyn würde, an der Heldentafel Platz nehmen dürfen.

8. Der zweite Handel betraf eine Liebessache. Theseus und Menelaus stritten sich, welchem von ihnen Beiden Helena als Gattin beiwohnen solle? Rhadamanth sprach sie dem Menelaus zu, in Betracht der vielen Mühen und Gefahren, welche Dieser um seiner ehelichen Rechte willen bestanden hätte: zudem habe ja Theseus schon andere Frauen, die Amazone Hippolyte, und die beiden Töchter des Minos, Phädra und Ariadne.

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Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 721. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_0721.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)