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euch keine Zeit mehr, darüber nachzudenken, ob das, was sich aus den Vordersätzen zwar consequent ergiebt, nicht demungeachtet falsch sey. Wer dir sagt, zweimal fünf mache sieben, der wird, wenn du ihm, ohne selbst nachzurechnen, glaubst, dich auch dahin bringen, zu glauben, viermal fünf sey vierzehen, und was ihm sonst noch beliebt. Dasselbe Verfahren ist es, welches auch die so hoch bewunderte Geometrie beobachtet. Diese verlangt gleichfalls von den Anfängern die Zustimmung für etliche absurde und unhaltbare Heischesätze, z. B. Punkte seyen untheilbare Dinge, eine Linie hätte keine Breite, und was dergleichen mehr sind; auf einem so morschen Fundamente errichtet sie nun ein Gebäude, das nicht dauerhafter seyn kann, als seine Grundlage ist; und gleichwohl rühmt sich diese Wissenschaft, die von so grundlosen Begriffen ausgeht, eines unwidersprechlichen Beweisverfahrens.

74. Auf dieselbe Weise, nachdem ihr jeder Schule ihre Principien zugegeben habt, glaubt ihr nun alle die Sätze, die der Reihe nach folgen, und habt kein anderes Kennzeichen ihrer Wahrheit, als eben jene Folgerichtigkeit, die doch auf lauter Trug führt. Nicht Wenige unter euch gehen über dem langen Hoffen aus der Welt, bevor sie noch zur rechten Einsicht gekommen sind, und dem ganzen Trugspiel auf den Grund gesehen haben. Andere merken zwar nachgerade, daß man sie hintergangen hat; aber sie merken es zu spät, wenn sie schon sehr in Jahren vorgerückt sind und sich nun nicht mehr entschließen können, wieder umzukehren, aus Schaam, in einem solchen Alter gestehen zu müssen, daß sie sich, ohne es zu wissen, zu Kinderspiel hergegeben haben.

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Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 587. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_0587.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)