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60. Ich will dir ein anderes Gleichniß geben, das sich vielleicht besser auf die Philosophie anwenden läßt. Das Faß und den Verkäufer wollen wir beibehalten, aber in dem Fasse sollen sich statt Wein allerhand Sämereien und Hülsenfrüchte befinden, oben Waizen, hernach Bohnen, dann Gerste, unter dieser Linsen, hierauf Kichererbsen und noch mehrere dergleichen Gattungen. Nun wolltest du solche Früchte kaufen, und der Verkäufer nähme oben eine Hand voll Waizen weg und reichte sie dir als Probe dar: könntest du durch den Anblick dieses Waizens dich versichern, daß die Erbsen rein, die Linsen weich zu kochen, die Bohnen nicht ausgefressen sind?

Hermotimus. Wie könnte ich das wissen?

Lycinus. Eben so wenig könntest du aus den ersten Paar Sätzen, die du von einem Philosophen hörtest, sogleich abnehmen, welchen Werth seine ganze Philosophie hat. Sie ist nicht Eine Masse wie der Wein, dem du sie vergleichen wolltest; und das Ganze ist nicht immer dem ersten Schlucke gleich. Weil sie daher etwas ganz Anderes ist, so bedarf sie desto sorgfältigerer Prüfung. Kauft man eine Flasche schlechten Wein, so besteht der ganze Schaden in ein Paar Obolen: aber unterzugehen in der Fluth gemeiner Alltagsmenschen, das ist, wie du ja selbst gleich anfangs sagtest, kein kleines Unglück. Ueberdieß würde ja derjenige, welcher ein ganzes Faß austrinken wollte, um hernach ein Nösel zu kaufen, durch diese starke Probe den Weinhändler sehr zu Schaden bringen. Bei der Philosophie ist dergleichen nicht zu befürchten: du magst trinken, so viel du willst, das Faß wird nicht leerer, der Weinschenk nicht ärmer. Im Gegentheile,

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Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 572. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_0572.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)