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Lycinus. Wie? ein einziger Tag wäre dir Ersatz für so viele Mühen?

Hermotimus. Sogar mit einem Augenblicke wollte ich vorlieb nehmen.

7. Lycinus. Woher aber weißt du denn, daß da oben eine Seligkeit zu gewinnen ist, um welche sich’s verlohnt, alles Mögliche zu thun und zu leiden? Du bist doch nie selbst oben gewesen.

Hermotimus. Der Meister sagt’s, und ihm glaube ich. Er muß es genau wissen, da er längst schon auf dem höchsten Gipfel ist.

Lycinus. So sage mir doch, um der Götter willen, wie beschrieb er dir denn diese Seligkeit? Sind es etwa Reichthümer, oder Ehren, oder überschwängliche Sinnengenüsse?

Hermotimus. Das sey ferne, Freund! Das Leben auf der Tugendhöhe hat mit solchen Dingen nichts zu schaffen.

Lycinus. Nun – wenn es diese nicht sind, welche andere Güter sagt er denn, daß man am Ziele der Prüfung davon tragen werde?

Hermotimus. Weisheit und Stärke des Gemüths, und das an sich Schöne, das Rechte, und eine sichere und klare Einsicht in die wahre Beschaffenheit aller Dinge; Reichthümer aber und Ehren und Sinnengenüsse und Alles, was des Leibes ist, hat, wer sich zu jener Höhe gehoben, zuvor abgestreift und auf Erden gelassen, auf dieselbe Weise, wie Herkules, da er sich auf dem Oeta verbrannte, zum Gotte geworden ist: denn sobald er sich alles dessen, was von der Mutter her Menschliches ihm anhieng, entäußert hatte,

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Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 521. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_0521.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)