Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Merkur. Der Dichter Homer sagt, die beiden Söhne des Alòeus (Otus und Ephialtes), also auch nur ihrer zwei, hätten einmal, wiewohl sie noch Knaben waren, den Ossa aus seinen Grundvesten reißen und ihn auf den Olymp, und oben drauf noch den Pelion setzen wollen, in der Meinung, daß dieß eine hinreichende Treppe seyn würde, um in den Himmel zu gelangen. Nun freilich, diese beiden Jungen mußten ihr Beginnen schwer büßen, denn ihre Absicht war frevelhaft. Wir beide aber, die wir nichts zum Nachtheile der Götter dabei im Sinne haben, warum sollten wir nicht auf dieselbe Weise etliche Berge auf einander wälzen und uns einen hohen Standpunkt errichten, der uns eine vollständigere Aussicht gewährt?

4. Charon. Aber werden wir beide auch im Stande seyn, den Pelion oder den Ossa in die Höhe zu heben?

Merkur. Warum denn nicht? Meinst du denn, wir wären schwächer als jene beiden Knäblein, da wir doch Götter sind?

Charon. Das nicht: allein das Unternehmen wäre ein so starkes Stück Arbeit, daß ich die ganze Sache nicht glauben kann.

Merkur. Du bist freilich kein Gelehrter, lieber Charon, und durchaus nicht von poetischem Schlage. Der Kraftmann Homer hingegen hat uns mit zwei einzigen Versen den Himmel ersteigbar gemacht: so leicht wurde es ihm, Berge auf Berge zu thürmen. Ich verstehe nur nicht, wie dir das so unbegreiflich vorkommt, da dir doch gewiß bekannt ist, daß der einzige Atlas den ganzen Himmel, sammt uns Olympiern allen, auf seinen Schultern hat? Ohne Zweifel hast

Empfohlene Zitierweise:
Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 309. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_0309.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)