Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

den Gefahren entgegengieng, warum gab er sich den heuchlerischen Thränen und Seufzern des ersten besten Dirnchens gefangen? Blepsias hingegen machte sich selbst die größten Vorwürfe, daß er so thöricht gewesen, sein Vermögen für Erben aufzusparen, die ihn nichts angiengen, und sich einzubilden, er werde ewig lieben. Auf diese Art unterhielt ich mich ganz vergnüglich bei ihren Litaneien.

8. Nun aber sind wir an die Mündung gekommen. Wir wollen hier stehen bleiben, und die Ankömmlinge schon von weitem her beobachten. Potz Element! Leute in Menge und von aller Art! Alle sind in Thränen, die neugebornen und unmündigen Kinder ausgenommen: sogar die ältesten Greise jammern laut! Sonderbar! Sollten sie in einem Zaubertranke diese Liebe zum Leben eingesogen haben?

9. Ich will mich mit meinen Fragen einmal an diesen steinalten Greis da machen. Was weinst du, Alter? Grämst du dich, daß du sterben mußtest? Du bist doch gewiß nicht zu jung hieher gekommen, guter Freund: aber vielleicht hast du eine Krone getragen?

Bettler. O nein!

Diogenes. Oder warst ein Satrap?

Bettler. Auch das nicht.

Diogenes. Also wenigstens ein reicher Mann? und nun verdrießt es dich, deine vielen Herrlichkeiten mit dem Rücken ansehen und todt seyn zu müssen?

Der Bettler. Gar nichts dergleichen. Ich wurde gegen neunzig Jahre alt, war blutarm, kinderlos, lahm, blödsichtig, und fristete mein Leben kümmerlich mit dem Ertrage meiner Angelruthe.

Empfohlene Zitierweise:
Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. Stuttgart: J. B. Metzler, 1827–1832, Seite 279. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_0279.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)