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Paris. Du tust mir Unrecht, Protesilaus, zumal da wir Kunstverwandte sind: ich hatte mich auch, wie du, auf’s Lieben gelegt, und war von demselben Gotte getrieben worden. Nun weißt du ja selbst, daß es etwas Unwillkührliches um das Lieben ist, und daß es irgend ein Dämon ist, der uns führt, wohin er will, ohne daß es möglich wäre, ihm zu widerstehen.

2. Protesilaus. Du hast auch Recht! Könnte ich jetzt doch nur gleich den Liebesgott zu fassen bekommen!

Aeacus. Ich will seine Vertheidigung übernehmen. Er wird dir zugeben, an der Liebe des Paris zur Helena vielleicht Schuld zu seyn; aber an deinem Tode, wird er sagen, sey Niemand Schuld als du selbst. Bei der Ankunft an der Troïschen Küste hattest du dich, ohne an deine junge Gattin zu denken, von Tollkühnheit und Ehrgeiz verleiten lassen, zuerst an’s Land zu springen, und sogleich bei der Landung, der Erste von Allen, den Tod gefunden.

Protesilaus. Nun so will ich mich gleichfalls, und noch triftiger, rechtfertigen und sagen: auch ich trage dessen keine Schuld, sondern das Verhängniß, welches von Anfang an dieses Loos mir zugedacht hatte.

Aeacus. So ist’s: was klagst du also Andere an?


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Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. Stuttgart: J. B. Metzler, 1827–1832, Seite 256. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_0256.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)