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XXVI. Die Dioskuren.
Apoll. Merkur.

1. Apoll. Kannst du mir nicht sagen, Merkur, welcher von diesen beiden Kastor, und welcher Pollux ist? Ich weiß sie nicht von einander zu unterscheiden.

Merkur. Der gestern bei uns gewesen, war Kastor, und dieser da ist Pollux.

Apoll. Wie kennst du sie denn aus einander? Sie sind sich ja ganz gleich.

Merkur. Dieser da hat Narben von den Wunden im Gesichte, welche er von seinen Gegnern im Faustkampfe erhalten hat: besonders scharf ist er auf der Fahrt mit Iason von dem Bebrycier Amykus gezeichnet worden. Der Andere aber hat kein solches Merkmal: sein Gesicht ist ganz glatt, und hat nichts gelitten.

Apoll. Du hast mir wirklich einen Gefallen gethan, daß du mich auf diese Kennzeichen aufmerksam machtest: denn alles Uebrige ist bei Einem wie bei dem Andern, das halbe Ey mit dem Stern auf dem Kopfe, der Wurfspieß in der Hand, das weiße Pferd, das jeder hat – so daß ich schon öfters den Kastor als Pollux, und diesen als jenen anredete. Aber sage mir auch das noch: wie kommt es, daß nie beide zugleich bei uns sind, sondern daß abwechslungweise der Eine um den Andern heute ein Gott und morgen wieder ein Todter ist.

2. Merkur. Aus Bruderliebe geschieht das. Anstatt daß der Eine von Leda’s Söhnen todt, der Andere unsterblich seyn sollte, theilten sie die Unsterblichkeit unter sich.

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Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 180. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_0180.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)