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Sokrates. Wenn wir die Menschen unter sich vergleichen, begegnen uns da nicht die größten Verschiedenheiten des Vermögens und Unvermögens? Halten wir einen erwachsenen Mann und ein neugebornes oder wenige Tage altes Kind gegen einander, welch erstaunlicher Unterschied der Stärke auf der einen, und der Schwäche auf der andern Seite, in Ansehung aller Verrichtungen des Lebens und jeder Thätigkeit dieser unserer kunstreichen Hände, kurz unserer gesammten körperlichen und geistigen Kräfte? Sehen wir nicht auf jener Seite Wirkungen, die dem Kinde noch gar nicht zu Sinne kommen können?

6. Und wie die Kraft des erwachsenen Mannes der des Säuglings unendlich überlegen ist, so daß Ein Mann die vereinte Kraft von Tausenden der letztern leicht überböte, so sind andererseits Schwäche und Unbehülflichkeit die natürlichen Gefährtinnen des ersten Lebensalters. Da nun der Unterschied zwischen Menschen und Menschen schon so groß erscheint, wie wird sich, glaubst du wohl, die Macht des Universums zu unsern Kräften in den Augen derer verhalten, die zu einer solchen Betrachtung sich zu erheben vermögen? Keinem derselben wird es zweifelhaft seyn, daß das Weltall, wie es an Umfang die Person eines Sokrates oder Chärephon übertrifft, in demselben Verhältniß auch unsern Kräften, unserer Weisheit und Einsicht überlegen seyn müsse.

7. Dir und mir und tausend Andern unsers Gleichen sind eine Menge Dinge unmöglich, die Andern ganz leicht sind. So ist zum Beispiel Flötenspielen denen, die es noch nicht gelernt haben, Schreiben und Lesen denen, die keine Buchstaben kennen, doch wohl eben so unmöglich, als Frauen in

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Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 100. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_0100.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)