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zu schaffendes Gedicht, – eine Länge von ungefähr hundert Zeilen. In Wirklichkeit misst dasselbe hundert und acht.

Mein nächster Gedanke richtete sich auf die Wahl des Eindrucks oder der Wirkung, die hervorgebracht werden sollte; und hier will ich gleich bemerken, dass ich während der Ausarbeitung des Planes mir stets die Absicht vor Augen hielt, mein Werk allgemeiner Anerkennung würdig zu machen. Es würde mich zu weit von meinem jetzigen Thema ablenken, wollte ich hier einen Satz erörtern, den ich schon oft vertheidigt habe, und den man poetischen Leuten gar nicht erst zu beweisen braucht, – den Satz, meine ich, dass die Schönheit das einzig berechtigte Gebiet der Dichtung ist. Ein paar Worte jedoch zur Erläuterung meiner wahren Ansicht, die einige meiner Freunde arg missdeutet haben. Das zugleich intensivste, erhebendste und reinste Vergnügen entspringt, meine ich, aus der Betrachtung des Schönen. Wenn die Menschen von Schönheit sprechen, so meinen sie in der That nicht, wie man wohl annimmt, eine Eigenschaft, sondern eine Wirkung – sie reden, kurz gesagt, gerade von jener intensiven und reinen Erhebung der Seele (nicht etwa des Geistes oder des Herzens), deren ich erwähnt habe, und die man in Folge der Betrachtung „des Schönen“ erfährt. Nun bezeichne ich lediglich desshalb die Schönheit als das Gebiet der Dichtung, weil es eine einleuchtende Kunstregel ist, dass man Wirkungen aus direkten Ursachen herleiten, – dass man ein Objekt durch die geeignetsten Mittel erreichen soll, – und Niemand war noch so kurzsichtig, zu leugnen, dass die eigenthümliche Erhebung, um die es sich handelt, am leichtesten mittelst der Dichtung zu erreichen sei. Nun lässt sich das Objekt Wahrheit, oder die Befriedigung des Geistes, und das Objekt Leidenschaft, oder die Erregung des Herzens, allerdings bis zu gewissem Grade in der Poesie, aber doch viel leichter in der Prosa erreichen. In der That, die Wahrheit verlangt eine hausbackene Deutlichkeit,