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ging trotzdem jeden Sonntag zur Messe in die Notre-Dame, wo der Zufall ihn jedesmal gerade dem neuen Präfekten und dessen Familie gegenüber brachte. Man kann natürlich Lacours Sinnesänderung nur anerkennen, zu bedauern freilich bleibt, daß sie nicht zwanzig Jahre früher stattgefunden hat. Aber schließlich – besser spät als niemals!

Lacours Benehmen ist sehr sanft, und wenn er nicht hie und da ein Gläschen über den Durst tränke, hätte man ihm keine andere Passion nachsagen können, als den Fischfang. Er wirft seine Angel in der Gegend der Pont-Neuf aus; auch jetzt noch widmet er diesem stummen Vergnügen täglich einige Stunden. An seiner Seite sieht man gewöhnlich eine Dame, die den Wurm ansteckt: es ist Frau Lacour, die in früheren Zeiten noch ganz andere Köder darbot. Lacour war gerade mit diesem unschuldigen Vergnügen beschäftigt, das er mit Seiner Majestät dem König von England und dem Dichter Coupigny teilt, als ihn die hohen Ehren ereilten. Die Abgesandten des Herrn Delavau fanden ihn bei der Angelrute, wie die Gesandten des römischen Senats einstmals Cincinnatus am Pfluge trafen. So gibt es in dem Leben großer Männer stets Vergleichspunkte: vielleicht verkaufte auch Frau Cincinnatus an die Töchter ihrer Zeit Kramwaren. Die legitime Hälfte des Herrn Coco-Lacour betreibt nämlich jetzt ein Geschäft – doch genug von meinem Nachfolger, ich kehre zu der Geschichte der Sicherheitsbrigade zurück.

Diese erhielt im Laufe der Jahre 1823 und 1824 ihre größte Ausdehnung. Die Zahl der Agenten, aus denen sie sich zusammensetzte, wurde auf Parisots Vorschlag auf zwanzig, ja sogar achtundzwanzig erhöht, dazu kamen noch acht Personen, die an Stelle der Besoldung öffentliche Spielhäuser unterhalten durften. Mit diesem so winzigen Personal mußten über zwölfhundert Entlassene aus den Zuchthäusern und Gefängnissen und ähnliche Individuen beaufsichtigt, ferner vier- bis fünfhundert Verhaftungen sowohl im Namen des Polizeipräfekten wie der Gerichtsbehörden vorgenommen, Nachforschungen angestellt, allerhand

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Eugène François Vidocq: Landstreicherleben, Seite 371. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Landstreicherleben_371.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)