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entschlossen seien, ihre Lebensweise zu ändern, so könnten sie so wichtige Dienste leisten wie niemand sonst. Ich unterstützte ihr Gesuch, und, obwohl man mir entgegenhielt, wie leicht ein Rückfall ihrerseits möglich sei, bewirkte ich doch nach vieler Mühe unter Berufung auf den großen Nutzen, den sie leisten könnten, ihre Befreiung. Am meisten war man gegen Coco-Lacour eingenommen, denn er wurde – mit Recht oder Unrecht – beschuldigt, während seiner Amtierung als Geheimagent beim Generalinspektor Veyrat Silberzeug gestohlen zu haben. Aber Coco-Lacour war der einzige, der mein Vertrauen nicht getäuscht hat. Die beiden anderen zwangen mich nur zu bald, sie davonzujagen; später erfuhr ich, daß sie in Bordeaux von neuem verurteilt wurden. Was Coco betrifft, so kam er mir so vor, als ob er Wort halten wollte; ich irrte mich auch nicht. Da er sehr intelligent und nicht ungebildet war, so zeichnete ich ihn aus und erhob ihn zu meinem Sekretär. Bei Gelegenheit einiger Verweise, die ich ihm machte, verließ er meinen Dienst. Gegenwärtig steht nun Coco-Lacour an der Spitze der Sicherheitspolizei und wartet auf die Möglichkeit, seinerseits seine Memoiren zu veröffentlichen; vielleicht wird es interessant sein, zu sehen, durch welche Abgründe er gehen mußte, bevor er den Posten erlangte, den ich so lange einnahm. Sein Leben zeigt, daß er auf alle Nachsicht Anspruch hat; seine gänzliche Sinnesänderung mag als Beweis dafür dienen, daß auch der verdorbenste Mensch sich noch bessern kann. Die Dokumente, auf Grund deren ich die Hauptmomente aus dem Leben meines Amtsnachfolgers herausheben will, sind absolut authentisch. Da sind einige Abschnitte aus seinem Leben, die auf der Polizeipräfektur verzeichnet sind. Ich schlage die Register der Sicherheitspolizei auf und lese:

„Lacour, Marie-Barthélémy, elf Jahre alt, wohnhaft in der Rue du Lycée, wegen versuchten Diebstahls am 9. Ventose des Jahres 9 zu einer Gefängnisstrafe verurteilt; elf Tage später vom Korrektionstribunal zu einem Monat Gefängnis verurteilt.“


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Eugène François Vidocq: Landstreicherleben, Seite 367. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Landstreicherleben_367.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)