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zu warten. Ich meinte, der Wagen könne Verdacht erregen, wenn er allzu nahe plaziert sei, daher hätte ich es für besser gehalten, ihn in einiger Entfernung zu halten; sie billigten diese Vorsicht durchaus.

Es schlägt elf. Wir trinken ein Glas in der Rue du Faubourg-Saint-Denis und begeben uns zu der Wohnung des Bankiers. Boudin und sein Komplize schmauchen ihre Pfeifen weiter; ihre Ruhe flößt mir Entsetzen ein. Endlich sind wir an dem Pfosten angelangt, der uns als Leiter dienen sollte. Saint-Germain verlangt mir die Pistolen ab. In diesem Moment durchzuckte mich der Gedanke, er habe alles erraten und wollte mich niedermachen. Ich gebe sie ihm, aber ich hatte mich geirrt: er öffnet die Zündpfanne, tut neues Pulver hinein und gibt sie mir zurück. Dann nimmt er dieselbe Operation bei seinen Pistolen und denen Boudins vor, klettert als erster den Pfosten hinauf, und beide schwingen sich, immer noch die Pfeife im Munde, in den Garten. Ich muß ihnen folgen. Oben, auf der Mauer erwachen alle meine Befürchtungen wieder: wird die Polizei Zeit zum Überfall haben? Wird Saint-Germain dir nicht zuvorgekommen sein? Das sind die Fragen, die ich an mich selbst richtete, das sind meine Zweifel. In dieser fürchterlichen Ungewißheit fasse ich endlich den Entschluß, das Verbrechen zu verhindern, sollte ich auch im ungleichen Kampfe erliegen.

Saint-Germain, der mich immer noch rittlings auf der Mauer sitzen sieht, wird ungeduldig über meine Langsamkeit und ruft: „So komm doch herunter!“ Kaum hat er die Worte zu Ende gesprochen, als plötzlich eine Schar Menschen über ihn herfällt. Er und Boudin leisten erbitterten Widerstand. Von beiden Seiten wird geschossen, Kugeln pfeifen, aber nach einem Kampf von wenigen Minuten hat man die beiden Mörder.

Einige Agenten wurden bei diesem Scharmützel verwundet, ebenso Saint-Germain und sein Getreuer. Ich, als bloßer Zuschauer, vermied jede Gefahr; um jedoch meine Rolle bis zu Ende zu spielen, sank ich auf das Schlachtfeld hin, als ob ich

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Eugène François Vidocq: Landstreicherleben, Seite 324. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Landstreicherleben_324.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)