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Vierundzwanzigstes Kapitel


Der Einbruch


In einer so großen Stadt wie Paris gibt es eine Unmenge widerlicher Spelunken, wo sich allerhand trübes Gesindel zu treffen pflegt. Um diese Gestalten zu treffen und zu überwachen, besuchte ich die berüchtigsten Orte bald unter diesem, bald unter jenem Namen; ich wechselte sehr oft die Kleidung wie eine Person, die es nötig hat, dem Auge der Polizei zu entgehen. Alle Diebe, die ich gewöhnlich traf, hätten darauf Gift genommen, daß ich zu ihnen gehöre. Sie waren überzeugt, daß ich von der Polizei gesucht werde und hätten sich für mich in Stücke reißen mögen. Sie schenkten mir nicht nur volles Vertrauen, sondern sie hatten mich gern. Sie hielten mich über ihre Pläne auf dem laufenden, und wenn sie mich nicht daran teilnehmen ließen, so geschah das nur deshalb, weil sie fürchteten, mir, als entsprungenem Galeerensträflinge, zu schaden. Jedoch waren nicht alle so rücksichtsvoll, wie man bald sehen wird.

Ich war einige Monate in meinem Amte, als der Zufall mich eines Tages mit Saint-Germain zusammenführte, demselben Saint-Germain, dessen Besuche mich so oft in Jammer und Not versetzt hatten. In seiner Gesellschaft war ein gewisser Boudin, den ich früher als Restaurateur in der Rue des Prouvaires kennen gelernt hatte; ich wußte von ihm soviel wie man von einem Wirt weiß, bei dem man hie und da einkehrt. Boudin erkannte mich sofort und redete mich mit einer Vertraulichkeit an, die ich nicht zu erwidern geneigt war.


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Eugène François Vidocq: Landstreicherleben, Seite 315. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Landstreicherleben_315.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)