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nahmen etwa zwanzig Tage in Anspruch. In dieser Zeit bereitete ich mich auf die Arbeit vor: es war mein Terrainstudium.

Eines Tages wurde ich zu dem Divisionschef bestellt. Es handelte sich darum, einen gewissen Watrin aufzuspüren, der Münzen und Banknoten fabrizierte und sie in Umlauf brachte. Watrin war bereits verhaftet gewesen, aber man hatte ihn nicht festzuhalten gewußt. Henry gab mir alle nötigen Informationen, die mich auf eine Spur bringen konnten, aber leider bezogen sich diese Informationen lediglich auf die ehemaligen Gewohnheiten Watrins. Mir wurden die Orte genannt, die er zu besuchen pflegte, aber es war kaum anzunehmen, daß er sobald wieder dahinkommen würde, denn in seiner gegenwärtigen Lage gebot die Vorsicht, alle diese Orte zu meiden. Mir blieb also nur die Hoffnung übrig, auf irgendeinem Umweg zu ihm zu gelangen. Da erfuhr ich, daß er in einem Hause auf dem Boulevard Montparnasse, wo er früher gewohnt hatte, Sachen zurückgelassen hatte. Man nahm an, daß er früher oder später sich dort einfinden würde, um sie zu holen, oder jemanden nach ihnen schicken würde. Das war auch meine Ansicht. Ich richtete infolgedessen alle meine Nachforschungen auf diesen Punkt; nachdem ich mir die Wohnung angesehen hatte, hielt ich mich Tag und Nacht in der Nähe versteckt, um alle Kommenden und Gehenden zu überwachen. Diese Überwachung mochte eine Woche gedauert haben. Endlich beschloß ich, den Hausbesitzer mit ins Einverständnis zu ziehen und ihn zu interessieren, und so mietete ich bei ihm eine Wohnung, in der ich mich mit Annette einrichtete. Meine Gegenwart konnte keinen Verdacht mehr erregen.

Ich mochte dort etwa vierzehn Tage gewohnt haben, als ich eines Abends, gegen elf Uhr, erfahre, Watrin sei in Begleitung noch eines anderen Individuums eingetroffen. Ich war etwas unwohl und hatte mich früher als sonst zu Bett gelegt. Ich stehe rasch auf, rase die Treppe hinunter, aber trotz aller Vorsichtsmaßregeln erwische ich nur Watrins Kameraden. Ich hatte kein Recht, ihn zu verhaften, aber ich glaubte, durch Einschüchterung

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Eugène François Vidocq: Landstreicherleben, Seite 312. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Landstreicherleben_312.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)