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ein junger Mann, der beschuldigt war, als Geheimagent im Dienste der Polizei zu stehen. Man behauptete, er sei vom General-Inspektor Veyral bezahlt, und man erzählte sich, daß er, als er einmal beim Inspektor Bericht erstattete, das Silbergeschirr gestohlen habe … Bei einem Inspektor stehlen – das war nicht schlimm, aber Bericht erstatten! … Dies war das ungeheuerliche Verbrechen, das dem Coco Lacour (er ist jetzt mein Nachfolger) zur Last gelegt wurde.

Coco wurde vom ganzen Gefängnis bedroht, gejagt, gestoßen, mißhandelt; er wagte sich nicht mehr in den Hof, wo er unfehlbar niedergemacht worden wäre. Coco suchte meinen Schutz; und um mich zu seinen Gunsten zu stimmen, begann er mir Geständnisse zu machen, die ich gut zu verwerten wußte. Zunächst benutzte ich meinen Einfluß, um seine Versöhnung mit den anderen Gefangenen herbeizuführen, die ihre Rachepläne aufgaben – einen größeren Dienst konnte man ihm nicht erweisen. Sowohl aus Dankbarkeit wie aus Rachebedürfnis hatte Coco bald kein Geheimnis mehr vor mir. Eines Tages wurde er vor den Untersuchungsrichter geladen.

„Weiß Gott,“ sagte er bei seiner Rückkehr, „ich habe Glück … keiner der Kläffer hat mich erkannt. Aber ich bin noch nicht raus: es gibt in der Welt noch so einen verdammten Portier, den ich um eine silberne Uhr erleichterte habe. Da ich mich mit ihm dabei ziemlich lange unterhalten mußte, so werden sich wohl meine Züge seinem Gedächtnis eingeprägt haben. Wenn der vorgeladen würde, dann könnte eine Konfrontation für mich verhängnisvoll werden. Portiers haben ja ohnehin ein gutes Personengedächtnis,“ fügte er hinzu.

Diese Bemerkung war richtig. Aber ich versicherte Coco, daß man wohl kaum diesen Menschen auftreiben würde und wenn er’s bis jetzt nicht getan hätte, so würde er sich auch später nicht von selbst melden. Um ihn in dieser Ansicht zu bestärken, sprach ich ihm von der Sorglosigkeit und Trägheit gewisser Leute, die nie aus ihrem Viertel herauskommen. Diese Bemerkung veranlaßte

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Eugène François Vidocq: Landstreicherleben, Seite 308. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Landstreicherleben_308.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)