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Zweiundzwanzigstes Kapitel


Mürbe


Ich fing an, des ewigen Entspringens und der Scheinfreiheit, die es bot, müde zu werden. Das Bagno lockte mich zwar nur mäßig, aber schließlich war mir Toulon doch lieber als Paris, wenn ich mich noch weiter von Geschöpfen wie Chevalier, Blondy, Duluc und Saint-Germain hätte quälen lassen müssen. In dieser Stimmung befand ich mich inmitten einer großen Anzahl von Galeerensträflingen, die ich nur zu gut kannte; da machten mir einige von ihnen den Vorschlag, einen Fluchtversuch zu wagen. Zu jeder anderen Zeit hätte mich der Plan gereizt; ich verwarf ihn auch nicht, aber ich kritisierte ihn als Mann, der den Ort kennt. So wahrte ich mir jenes Übergewicht, das mir meine Erfolge einbrachte. Wenn man mit Verbrechern lebt, ist es immer vorteilhaft, als der geschickteste und geriebenste unter ihnen zu gelten.

Auf vier Sträflinge kamen stets mindestens drei, die von mir hatten sprechen hören; es gab keinen verwegenen Streich unter den Galeerensträflingen, den man nicht irgendwie mit meinem Namen in Verbindung setzte. Ich war gewissermaßen der General, dem alle Taten der Soldaten zugute kommen. Man nannte zwar keine Festungen, die ich gestürmt hätte, aber es gab keinen Gefängniswächter, den ich nicht hinters Licht geführt, keine Kette, die ich nicht gesprengt, keine Mauer, die ich nicht durchbrochen hätte. Mein Mut und meine Geschicklichkeit waren berühmt, und man wußte, daß ich nötigenfalls mein Leben aufs Spiel

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Eugène François Vidocq: Landstreicherleben, Seite 305. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Landstreicherleben_305.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)