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mein gegebenes Wort erinnern werde. Ich wußte nicht mehr, was ich anfangen sollte. Sollte ich am Ende die Person benachrichtigen, die wir gemeinsam bestehlen wollten? Wenn es möglich gewesen wäre, mich Saint-Germains Gesellschaft zu entziehen, so wäre ein solcher Entschluß gefahrlos gewesen; aber ich hatte versprochen, mitzumachen, und es schien keine Möglichkeit zu geben, mich unter irgendeinem Vorwand diesem Versprechen zu entziehen. Ich erwartete ihn also, wie man ein Todesurteil erwartet. In dieser Aufregung verging eine Woche; zwei, drei Wochen gingen dahin. Ich begann aufzuatmen. Als zwei Monate verflossen waren, beruhigte ich mich ganz. Ich glaubte nun, er sei, ebenso wie seine Kameraden, verhaftet worden.

Am 3. Mai 1809 erwache ich im Morgengrauen durch einige Schläge an die Tür meines Ladens. Ich gehe hinunter und will öffnen, als ich leise sagen höre: „Er ist ein kräftiger Mann, wir müssen vorsichtig sein!“ Über den Grund dieses frühen Besuches konnte nun kein Zweifel bestehen. Ich steige in aller Eile in mein Zimmer hinauf, Annette wird von dem Vorfall benachrichtigt, sie macht das Fenster auf und während sie die Agenten in ein Gespräch verwickelt, schleiche ich im Hemd durch eine Luke hinaus und erreiche die obere Etage. Im vierten Stock finde ich eine Tür halboffen und gehe hinein. Ich sehe mich um, ich lausche – ich bin allein. In einem Alkoven steht ein Bett, das mit einem scharlachroten Lappen verhängt ist. Ich schlüpfe unter die Matratze. Kaum habe ich mich zugedeckt, da tritt jemand ins Zimmer. Man spricht, ich erkenne die Stimmen. Es ist ein junger Mann, namens Fossé, dessen Vater Kupferschmied ist. Der Vater lag im Nebenzimmer zu Bett. Ein Gespräch entwickelt sich:


Erste Szene.


Der Vater, die Mutter, der Sohn.


Der Sohn: Papa, man sucht den Kleiderhändler … er

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Eugène François Vidocq: Landstreicherleben, Seite 292. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Landstreicherleben_292.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)