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Einsiedler, sich mit dem Vorgeschriebenen begnügen, nur zweiundzwanzig Sous tägliches Kostgeld haben – ich begreife nicht, wie man sich zu solchen Verhältnissen verurteilen kann. Was mich anbetrifft, so würde ich lieber sterben mögen. Aber du treibst deine Streiche im stillen, und hast gewiß noch irgendwelche Einnahmequellen.“

Ich antwortete ihm, daß mein Sold mir genüge, außerdem sei ich ja genährt und gekleidet, und mir fehle nichts.

„Alle Achtung!“ rief er. „Aber es gibt ja auch hier Langfinger, und hast gewiß schon von der Mondarmee sprechen hören. Du solltest dich darin aufnehmen lassen. Wenn du willst, kann ich dir einen Bezirk empfehlen: du könntest die Umgegend von Saint-Léonard ausbeuten.“

Ich wußte, daß die sogenannte Mondarmee eine Verbrecherbande war, deren Anführer sich bis dahin den Nachforschungen der Polizei entzogen hatten. Diese Banditen, die Mord und Raub in der Umgebung von zehn Meilen organisiert hatten, gehörten allen Regimentern an. In der Nacht trieben sie sich im Felde herum oder lagerten auf den Landstraßen, machten falsche Runden und falsche Patrouillen und hielten jeden an, der die geringste Beute versprechen ließ. Um keinen Hindernissen beim Umherziehen zu begegnen, hatten sie Uniformen aller Grade zu ihrer Verfügung. Je nach Bedarf waren sie Hauptmann, Oberst, General, und gelegentlich machten sie auch Gebrauch von der Parole und dem Paßwort, die ihnen ihre Vertrauten im Generalstab vierzehn Tage im voraus mitteilten.

Nach dem, was ich wußte, mußte mich Hippolyts Vorschlag erschrecken: entweder er war einer der Anführer der Mondarmee oder einer der Geheimagenten, die von der Polizei abgeschickt waren, um die Mondarmee aufzulösen, oder vielleicht sogar beides zugleich … Meine Situation ihm gegenüber war schwierig … Noch einmal sollte sich der Knoten meines Schicksals verwickeln … Ich konnte mich nicht mehr wie in Lyon durch Denunziation des Verführers aus der Affäre ziehen. Was könnte

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Eugène François Vidocq: Landstreicherleben, Seite 271. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Landstreicherleben_271.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)