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Hause sein. Ich verlangte die Schlüssel zum Pulvermagazin, er hatte sie mitgenommen. Dieses Fehlen der Schlüssel überzeugte mich davon, daß er der Täter war. Immerhin kam ich, bevor ich die Sache meldete, um zehn Uhr noch einmal in sein Haus zurück, um mich zu vergewissern, daß er noch nicht da sei; er war noch nicht zurückgekommen.

Die Inventuraufnahme, die noch an demselben Tage vorgenommen wurde, ergab, daß der Aufseher das größte Interesse daran haben mußte, das ihm anvertraute Magazin zu vernichten: das war ja das einzige Mittel, die beträchtlichen Diebstähle, die er begangen hatte, zu verdecken. Vierzig Tage vergingen ohne jede Nachricht über diesen Menschen; endlich fanden Schnitter in einem Kornfelde seine Leiche; eine Pistole lag neben ihm.

Dank meiner Geistesgegenwart war also die Explosion des Pulvermagazins verhütet worden; ich wurde durch eine Beförderung belohnt. Ich wurde zum Sergeanten ernannt, und der kommandierende General, der mich vor sich kommen ließ, versprach mir, mich dem Minister zu empfehlen. Da ich mich auf sicherem Boden zu befinden glaubte und meinen Weg machen wollte, so gab ich mir alle Mühe, dem Lebel die schlimmen Angewohnheiten Vidocqs abzugewöhnen, und wenn die Notwendigkeit, bei der Proviantverteilung anwesend zu sein, mich nicht von Zeit zu Zeit nach Boulogne gerufen hätte, so wäre ich bald ein gemachter Mann gewesen. Aber jedesmal, wenn ich in die Stadt kam, machte ich einen Besuch bei dem Dragoner-Oberquartiermeister, gegen den ich Bertrand verteidigt hatte; nicht weil er es verlangt hätte, aber ich fühlte die Notwendigkeit, Rücksicht auf ihn zu nehmen. Dann war jedesmal der Tag einem Saufgelage gewidmet, und wider meinen Willen verschob ich meine Reformpläne stets aufs neue.

Unter dem Vorgeben, ihm sei die Erbschaft eines Onkels, eines Senators, zugesichert, führte mein alter Zuchthausgenosse ein Leben in Saus und Braus. Der Kredit, den er in seiner Eigenschaft als Erbe genoß, war in gewisser Hinsicht grenzenlos.

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Eugène François Vidocq: Landstreicherleben, Seite 269. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Landstreicherleben_269.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)