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nicht abschlagen. Sie können ihm dann hinsichtlich Ihrer Abstammung alle Eröffnungen machen, die Sie für nötig halten. Diese Mitteilungen werden zunächst das Mißtrauen schwächen, mit dem man sonst die Ersatzmänner zu behandeln pflegt; sie werden Ihnen sofort die Achtung der Vorgesetzten erwerben. Aber Sie müssen dabei die Meinung verbreiten, daß Sie aus Zwang Soldat geworden sind. Unter Ihrem wahren Namen seien Sie fortwährend Verfolgungen von seiten des Kaisertums ausgesetzt; um diesen zu entgehen, hätten Sie sich in einem Regiment versteckt. Das sei Ihre Geschichte: sie wird sich herumsprechen, und niemand wird daran zweifeln, daß Sie ein Opfer und ein Feind der kaiserlichen Regierung seien … Ich brauche Ihnen keine Einzelheiten vorzuschreiben … Das übrige macht sich von selbst … Übrigens verlasse ich mich ganz auf Ihre Intelligenz.“

Mit diesen Vorschriften ausgerüstet, reiste Graf L. nach Italien und kehrte bald darauf mit den ligurischen Rekruten wieder nach Frankreich zurück. Der Oberst Aubry empfing ihn wie einen Bruder, den man nach langer Trennung wiedersieht. Er dispensierte ihn von den Manövern und dem Exerzieren, versammelte zu seinem Empfang und ihm zu Ehren die Loge des Regiments, erweis ihm tausend Gefälligkeiten, erlaubte ihm, Zivilkleider zu tragen und behandelte ihn, mit einem Wort, mit der größten Auszeichnung.

In wenigen Tagen wußte die ganze Armee, daß Bertrand eine hochgestellte Persönlichkeit sei; man konnte ihm zwar noch nicht die Epauletten verleihen, aber man ernannte ihn zum Sergeanten, und die Offiziere vergaßen bei ihm allein, daß er einer niederen Stufe der militärischen Hierarchie angehörte und nahmen an einem vertraulichen Verkehr mit ihm keinen Anstand. Bertrand war der Abgott des Korps geworden; er hatte Geist, besaß eine gute Bildung, und man war geneigt, ihn noch geistvoller und gebildeter zu halten, als er in Wirklichkeit war. Es kam bald so weit, daß er sich mit einigen Olympiern anfreundete, und diese

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Eugène François Vidocq: Landstreicherleben, Seite 262. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Landstreicherleben_262.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)