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greife zu! Er begriff den Wink, und wir sackten die Taler ein, ganz gerührt von der Herzensgüte des Herrn Belle-Rose.

Das Essen verlief sehr lustig; man sprach viel von dem Geiz der Eltern, von der Knauserigkeit der Lehrmeister, vom Glück unabhängig zu sein, von den unermeßlichen Reichtümern, die man in Indien zusammenscharrt. Die Namen Kap, Chandernagor, Kalkutta, Pondichery, Tippoo-Saïb wurden geschickt in die Unterhaltung geflochten; man führte Beispiele von kolossalen Vermögen an, die sich junge Leute erworben hatten, – Leute, die Belle-Rose angeworben hatte.

‚Ich will mich nicht rühmen,‘ sagte er, ‚aber ich habe eine glückliche Hand. Ich habe zum Beispiel den kleinen Martin angeworben – jetzt ist er ein Nabob, er wälzt sich auf Gold und Silber. Ich wette, er ist stolz geworden; er würde mich vielleicht gar nicht wiedererkennen, wenn er mich sähe. Ja, ja, ich habe schon verdammt viel Undank in meinem Leben gehabt! Was wollt ihr? Das ist nun einmal so der Lauf der Welt!‘

Das Tafeln währte lange … Beim Dessert brachte Belle-Rose die Rede auf die schönen Früchte der Antillen; beim Wein ließ er den herrlichen Kapwein leben, beim Kaffee begeisterte er sich für den Martinique-Kaffee; als man den Kognak brachte, sagte er mit einer Grimasse: ‚Das ist reiner Fusel im Vergleich zu dem Kolonialbranntwein oder gar gegen Jamaicarum!‘ Und als man Likör einschenkte, meinte er: ‚Das läßt sich noch trinken, aber es ist doch nur ein elendes Gesöff im Vergleich zu den Likören der berühmten Madame Ansous.‘

Herr Belle-Rose saß zwischen Fanfan und mir. Während des Essens trug er die zärtlichste Sorge um uns. Es war immer dasselbe Lied: ‚Trinkt doch, Freunde, trinkt!‘ und er füllte immer wieder die Gläser. ‚Wie komme ich zu solchen alten Weibern, wie ihr seid? Vorwärts, die Kehle feucht! Seht, wie ich’s mache!‘

Diese Aufmunterungen verfehlten ihre Wirkung nicht. Wir waren beide schon saubesoffen, besonders Fanfan.


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Eugène François Vidocq: Landstreicherleben, Seite 232. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Landstreicherleben_232.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)