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schadet nichts, daß ich sie hübsch ins Garn gelockt habe, aber das ist noch gar nichts; wir Marinewerber von heute sind die reinsten Waisenknaben von den früheren Werbern. Ihr seid ja Gelbschnäbel, ihr habt Belle-Rose nicht gekannt, der verstand sich aufs Geschäft! Ich bin doch auch nicht auf den Kopf gefallen, aber der wickelte mich ein, wie man’s nicht besser wünschen könnte. Auf jeden Fall will ich es für den Landsmann erzählen …

Ich hatte Arras mit vierzehn Jahren verlassen und befand mich seit einem halben Jahre in der Lehre bei einem Waffenschmied in Paris. Eines Morgens sollte ich einem Obersten, der Place Royale wohnte, ein Paar reparierte Pistolen hinbringen. Ich erledigte diesen Auftrag pünktlich; zum Unglück sollten für diese verdammten Pistolen achtzehn Franken bezahlt werden; der Oberst händigte mir das Geld ein. Bisher ist nichts Wunderbares an der Sache, aber als ich durch die Rue de Pélican gehe, höre ich an einer Scheibe klopfen. Ich glaube, es ist ein Bekannter; ich hebe den Kopf, und was sehe ich? Eine wahre Marquise de Pompadour, mit entblößten Reizen, hinter einer Fensterscheibe, nickt mir zu, lächelt und ladet mich ein, hinaufzukommen. Es war wie ein lebendes Miniaturbild in einem Rahmen. Ein entzückender Hals, eine schneeweiße Haut, ein üppiger Busen und dazu noch ein reizendes Gesicht, mehr brauchte es nicht, um mich in Flammen zu setzen. Ich stürze in einigen Sätzen die Treppe hinauf, man führt mich zu meiner Prinzessin: göttlich!

‚Komm, mein süßer Junge,‘ sagt sie, indem sie mir leicht auf die Wange schlägt, ‚du machst mir doch gerne ein kleines Geschenk, nicht wahr?‘

Ich greife zitternd in die Tasche und ziehe das Geld heraus, das mir der Oberst gegeben hatte.

‚Sag doch, Kleiner, bist du nicht aus der Picardie?‘ fährt sie fort. ‚So, so, na da bin ich doch deine Landsmännin. Oh, du bezahlst mir doch gewiß gerne ein Glas Wein?‘

Die Bitte war so anmutig vorgebracht, ich hatte nicht die

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Eugène François Vidocq: Landstreicherleben, Seite 225. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Landstreicherleben_225.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)