Seite:Landstreicherleben 209.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

damaligen Generalsekretär der Polizei von Lyon und späteren Polizeikommissar von Paris, in Verbindung. Ihm machte ich die nötigen Mitteilungen, und ich muß gestehen, daß Garnier mit viel Takt und Sicherheit handelte.

Zwei Tage vor dem verabredeten Abstecher bei Vidal ließ ich mich von neuem verhaften. Man führte mich ins Gefängnis, wo denn auch Vidal, Caffin, Neveu, Cadet-Paul, Deschamps und einige andere erschienen, die mit demselben Fischzug gefangen worden waren. Als ich zu den anderen gebracht wurde, heuchelte ich eine große Bestürzung. Keiner von ihnen schien den leisesten Verdacht zu haben, welche Rolle ich bei ihrer Verhaftung gespielt hatte. Nur Neveu sah mich mit einem gewissen Mißtrauen an; ich fragte ihn nach dem Grunde, und er gestand mir, daß nach der Art und Weise, wie er verhört worden sei, er mich unbedingt für den Angeber halten müsse. Ich spielte den Beleidigten, und damit dieser Verdacht nicht festen Boden fasse, begab ich mich zu den Gefangenen und teilte ihnen Neuveus Verdächtigungen mit. Ich fragte sie, ob man mich für fähig halte, meine Kameraden zu verraten; alle antworteten mit nein, und Neveu mußte mich um Entschuldigung bitten.

Indessen ließ mich Dubois in sein Kabinett rufen. Es wurde ausgemacht, daß ich am folgenden Tage Gelegenheit zur Flucht bekommen sollte.

Neveu wurde nach mir ins Zimmer des Generalkommissars gerufen. Einige Minuten später sah ich ihn mit rotem Kopf herauskommen, ich fragte ihn, was vorgefallen sei:

„Denke dir,“ rief er, „der Kommissar will, daß ich ihm die Diebe angebe, die aus Paris kommen. Wenn sie nur mich zu fürchten hätten, dann könnten sie wirklich ruhig sein.“

„Ich habe dich nicht für einen solchen Einfaltspinsel gehalten,“ erwiderte ich, denn mir fiel sofort ein, welchen Nutzen ich aus diesem Umstand ziehen könnte … „Ich habe versprochen, die Vögel anzugeben und sie einfangen zu lassen.“

Empfohlene Zitierweise:
Eugène François Vidocq: Landstreicherleben, Seite 209. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Landstreicherleben_209.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)