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dem Bett … es ist Cadet-Paul, ein anderer Flüchtling … ein dritter, ein vierter erhebt sich – lauter Bagnosträflinge.

Fast hätte ich mich in den Saal drei zurückversetzt denken können. Endlich verlasse auch ich die Pritsche; kaum setze in den Fuß auf den Boden, da entsteht ein allgemeines Geschrei: „Vidocq!!!“ Man umringt mich, man wünscht mir Glück. Einer der Teilnehmer am Kronjuwelendiebstahl, Charles Deschamps, der sich wenige Tage nach mir davongemacht hatte, sagt mir, das ganze Bagno bewundere meine Kühnheit und meinen Erfolg. Es schlägt neun Uhr: man führt mich zum Frühstück, und da finde ich die Brüder Quinet, Bonnefoi, Robineau, Métral, Lemat, lauter in Südfrankreich berühmte Personen. Ich werde mit Gefälligkeiten überhäuft, man versorgt mich mit Geld, mit Kleidern, ja selbst mit einer Mätresse.

Ich befand mich also, wie man sieht, in derselben Lage wie in Nantes. Ich kümmerte mich nicht um das Handwerk meiner „Freunde“; ich sollte von meiner Mutter Geld bekommen, aber bis dahin mußte ich doch leben. Ich glaubte, ich könnte mich eine Zeitlang ernähren lassen, ohne selbst „arbeiten“ zu müssen. Ich nahm mir vor, nur des Unterhalts wegen unter den Dieben zu bleiben, aber – der Mensch denkt, und Gott lenkt! Die Flüchtlinge waren erbittert darüber, daß ich bald unter diesem, bald unter jenem Vorwand mich weigerte, an ihren Raubzügen teilzunehmen, und so denunzierten sie mich unter der Hand, um sich eines lästigen Zeugen zu erledigen, der ihnen hätte gefährlich werden können.

Ich wurde bei einer gewissen Adele Buffin verhaftet und in das Gefängnis von Roanne gebracht. Gleich an den ersten Worten meines Verhörs merkte ich, daß ich verraten war. In der Wut, in die mich diese Entdeckung versetzte, faßte ich einen Entschluß, der in gewisser Hinsicht der Anfang einer mir ganz neuen Laufbahn wurde. Ich schrieb an Dubois, den Generalkommissar der Polizei, und bat ihn um eine geheime Unterredung. Noch am selben Abend wurde ich in sein Kabinett geführt. Ich erzählte

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Eugène François Vidocq: Landstreicherleben, Seite 207. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Landstreicherleben_207.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)