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Am dritten Tage, nachdem ich den Saal Nummer drei verlassen hatte, begebe ich mich, bevor ich zur Arbeit gehe, zum Aufseher und lasse mich visitieren.

„Mach’, daß du fortkommst, Lümmel!“ rief Vater Mathieu, „jetzt ist nicht die Zeit dazu.“

Ich komme in die Seilerwerkstatt. Der Ort scheint mir günstig. Ich sage meinem Kameraden, ich müßte meine Notdurft verrichten. Er deutet mich auf einen Holzhaufen, hinter dem ich mich verbergen könnte. Kaum habe ich ihn aus dem Gesicht verloren, so schraube ich meinen Bolzen ab, werfe den roten Kittel von mir und entfliehe in der Richtung nach dem Hafen. Dort wurde gerade die Fregatte „Muiron“ ausgebessert, die unter anderen Bonaparte und sein Gefolge aus Ägypten zurückgebracht hatte. Ich steige an Bord und frage nach dem Schiffszimmermann, der, wie ich wußte, im Spital krank lag. Der Küchenmeister, an den ich mich wende, hält mich für einen Matrosen von der neuen Mannschaft. Ich erhalte ihn in diesem Irrtum; um ihn noch darin zu bekräftigen, fange ich mit ihm in der Auvergner Mundart eine Unterhaltung an, denn an seiner Aussprache merke ich, daß er aus der Auvergne ist. Aber ich stehe wie auf glühenden Kohlen, denn zwei Schritte von uns arbeiten vierzig Sträflinge. Jeden Augenblick kann ich erkannt werden.

Endlich geht ein Boot nach der Stadt ab; ich werfe mich hinein, ergreife die Ruderstange und rudere wie ein alter Matrose. Bald sind wir in Toulon. Nur darauf bedacht, das Freie zu gewinnen, eile ich an ein Tor; aber niemand darf durch ohne eine grüne Karte, die von der Stadtverwaltung ausgestellt wird. Man verweigert mir den Durchgang. Während ich auf Mittel sinne, diese Maßregel zu umgehen, vernehme ich drei Kanonenschüsse, die das Signal meiner Flucht bedeuten. Ein Schauer erfaßt mich vom Kopf bis zu den Zehen. Schon sehe ich mich in der Gewalt der Stockmeister und der Bagnomiliz, schon glaube ich mich vor dem Kommissar, den ich so schmählich hintergangen habe – ich bin gefangen, ich bin verloren! Unter diesen furchtbaren

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Eugène François Vidocq: Landstreicherleben, Seite 194. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Landstreicherleben_194.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)