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und keiner ihrer Schliche blieb verborgen. Sein Mißtrauen ging so weit, daß er selbst dort Verschwörungen sah, wo es keine gab.

Man kann sich denken, daß es nicht leicht war, einen solchen Cerberus einzuschläfern. Ich versuchte jedoch seine Gunst zu erhaschen, – ein Unternehmen, das noch keinem geglückt war. Aber bald sah ich ein, daß ich mir nicht leere Hoffnungen vorgegaukelt hatte: sein Wohlwollen wuchs zusehends. Mathieu redete mich einige Male an. Das war ein Zeichen, wie die Alten sagten, daß er mich gut leiden mochte. Ich konnte es also schon wagen, eine Bitte vorzubringen.

Eines Tages bat ich ihn um die Erlaubnis, Kinderspielzeug aus dem Holz verfertigen zu dürfen, das die Sträflinge mir von ihren Arbeitsplätzen mitbrachten. Er willigte ein, unter der Bedingung, ich müsse mich „vernünftig“ benehmen. Am nächsten Morgen machte ich mich gleich an die Arbeit. Meine Kameraden arbeiteten aus dem Groben, ich führte die Feinheiten aus. Der alte Mathieu fand meine Arbeit hübsch. Als er sah, daß ich Gehilfen hatte, äußere er sogar seine Befriedigung darüber.

„Bravo!“ rief er, „so ein Zeitvertreib gefällt mir gut. Ihr solltet euch alle so beschäftigen; das würde euch zerstreuen, und mit dem Gewinn der Arbeit könnten ihr euch manche Annehmlichkeit verschaffen.“

In wenigen Tagen war die Zelle in eine Werkstatt verwandelt, vierzehn Mann saßen mit dem größten Eifer bei der Arbeit, alle von demselben Wunsch beseelt, sich die Langeweile zu vertreiben und etwas Geld zu gewinnen. Wir hatten stets fertige Ware. Die Sträflinge, die in die Stadt zur Arbeit gingen, verkauften sie uns und verschafften uns neues Rohmaterial. Einen Monat lang blühte der Handel; jeden Tag hatten wir reichliche Einnahmen. Aber bald kam der Moment, wo die Fabrikation aus Mangel an Absatz eingestellt werden mußte.

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Eugène François Vidocq: Landstreicherleben, Seite 190. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Landstreicherleben_190.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)