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Vierzehntes Kapitel


Ins Unbekannte


Noch nie hatte ich mich so unglücklich gefühlt, wie seit meiner Einlieferung ins Bagno von Toulon. Mit vierundzwanzig Jahren war ich mit den abscheulichsten Verbrechern zusammengepfercht und mußte in steter Berührung mit ihnen zu stehen – unter einem Haufen Verpesteter zu leben, wäre mir lieber gewesen. Noch nie hatte ich mich in einer Lage befunden, in der mir eine Flucht dringender erschienen war. Alle meine Gedanken beschäftigten sich mit der Möglichkeit eines Entkommens. Die verschiedenartigsten Pläne kamen mir in den Kopf, aber Pläne allein genügten mir nicht. Zur Ausführung mußte ich auf einen günstigen Moment warten, bis dahin war Geduld das einzige Mittel gegen meine Leiden.

An meine Bank waren auch ein paar gewerbsmäßige Diebe angeschmiedet, die bereits mehrere Fluchtversuche gemacht hatten; durch sie wurde auch ich also viel schwerer bewacht als üblich. Die Stockmeister konnten aus ihren Zelten, die wenige Schritte von uns lagen, unsere leisesten Bewegungen übersehen. Der älteste unter ihnen, der alte Mathieu, hatte Luchsaugen und besaß eine solche Menschenkenntnis, daß er auf den ersten Blick wußte, ob man ihn hintergehen wollte. Dieser alte Fuchs war gegen sechszig, aber seine robuste Konstitution schien des Alters zu spotten. Nichts machte ihm mehr Freude, als wenn er von den zahlreichen Stockhieben erzählte, die er austeilte oder austeilen ließ. Er lag im ewigen Krieg mit den Galeerensklaven,

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Eugène François Vidocq: Landstreicherleben, Seite 189. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Landstreicherleben_189.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)