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„Aber höre doch,“ sagte sie eines Tages zu ihm, als sie ihn düsterer als gewöhnlich sah, „höre, Joseph, man könnte glauben, du hättest Angst vor dem Tode … Benimm dich doch wenigstens nicht blöd, wenn du auf dem Karren sitzt … Was sollten sonst die Brüder von dir denken …“

„Gewiß,“ sagte Cornu, „das alles wäre ja ganz nett, wenn es sich nur nicht um den Kopf handelte!“

„Rede doch keinen Quatsch, Joseph! Ich bin ja nur ein Weib, aber ich würde aufs Schafott wie zur Messe steigen, besonders an deiner Seite, mein armer Joseph! Ja, ja, so wahr ich Margareth heiße, ich würde nur zu gerne mit dir sterben.“

„Na, gewiß doch!“ erwiderte Cornu.

„Ganz gewiß,“ beteuerte Margareth. „Aber warum stehst du auf, Joseph? Wo willst du hin?“

„Nirgends,“ entgegnete Cornu. Er ging auf einen Wächter zu, der an der Korridortür stand, und rief ihm zu: „Roche, lassen Sie einmal den Aufseher kommen, ich möchte den Staatsanwalt sprechen.“

„Was!“ rief die Frau, „den Staatsanwalt! Du willst doch nicht aus der Schule plaudern? Aber Joseph, was sollen unsere Kinder von dir denken!“ Cornu schwieg, bis der Beamte kam. Dann gab er seine Frau an, und die Unglückliche wurde auf Grund seiner Aussagen zum Tode verurteilt und mit ihm zugleich hingerichtet.

Jedesmal, wenn Mulot, dem ich diese Einzelheiten verdankte, diese Geschichte erzählte, lachte er Tränen. Dennoch, meinte er, dürfe man mit der Guillotine keinen Scherz treiben. Er vermied lange Zeit alles, was ihm das Los seines Vaters, seiner Mutter, eines seiner Brüder und seiner Schwester Florentine – sie alle waren in Rouen hingerichtet worden – eintragen konnte. Wenn er von ihnen und ihrem Tode sprach, meinte er oft:

„Das kommt davon, wenn man mit dem Feuer spielt. Ich falle nicht darauf rein!“

In der Tat, sein Treiben war weniger gefährlicher Natur:

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Eugène François Vidocq: Landstreicherleben, Seite 187. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Landstreicherleben_187.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)