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so gefährlichen Stürme überrascht wurden. Ein fernes Donnerrollen kündete es an. Bald fiel der Regen in Strömen; Windstöße, wie man sie sonst nur in den Tropen kennt, stürzten die Häuser um, rissen Bäume mit der Wurzel aus und peitschten die Wogen so hoch, daß sie jeden Augenblick unser Fahrzeug zu verschlingen drohten.

Das Schiff bot ein furchtbares Schauspiel dar. Beim Aufleuchten der Blitze konnte man zweihundert Menschen sehen, die gefesselt waren, gleichsam, damit ihnen auch die letzte Rettungsmöglichkeit genommen sei; sie konnten nur durch Schreie ihre Angst vor dem Tode kundgeben, den die Gewichte an den Füßen unentrinnbar machten.

Was die allgemeine Verwirrung noch vermehrte, war die Mutlosigkeit der Schiffsleute. Sie schienen an uns zu verzweifeln. Die Wache war beinahe im Begriff, das Schiff zu verlassen, denn es füllte sich im Nu mit Wasser. Nun nahm die Sachlage eine andere Wendung. Man stürzte sich auf die Stockmeister mit den Rufen: „Nieder, nieder mit allen!“ Die Dunkelheit und die Verwirrung des Moments ließen auf Ungestraftheit rechnen. Die Unerschrockensten unter den Sträflingen standen auf erklärten, niemand dürfe das Schiff verlassen, bevor man gelandet sei. Der Leutnant Thierry war der einzige, der den Kopf nicht verlor. Er versicherte, es bestände durchaus keine Gefahr, und weder er noch seine Leute dächten daran, das Schiff zu verlassen. Man glaubte es ihm um so eher, als der Sturm nachließ. Es wurde Tag, die spiegelglatte Oberfläche des Stromes hätte die stürmische Nacht vollends vergessen lassen können, wenn nicht die schlammigen Wogen Kadaver von Tieren, ganze Bäume und Trümmer von Möbeln und Häusern mit sich geführt hätten.

Dem Sturme entronnen, kamen wir in Avignon an und wurden ins Gefängnis gebracht. Hier begann die Rache der Stockmeister: sie konnten unsere sogenannte Meuterei nicht vergessen und erinnerten uns zunächst durch fürchterliche Stockprügel

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Eugène François Vidocq: Landstreicherleben, Seite 182. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Landstreicherleben_182.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)