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verwandelte, oder von ihnen an die Gastwirte verkauft wurde – verdarben die armen Tiere zusehends.

Ich benahm mich viel anständiger. Als ich in Verneuil mit meinem Herrn wieder zusammentraf, machte er mir die schönsten Komplimente über den Zustand meiner Ochsen. In Sceaux waren meine Tiere zwanzig Franken und darüber pro Kopf mehr wert, als die anderen Ochsen; dabei hatte ich mindestens neunzig Franken weniger Ausgaben unterwegs gemacht, als die übrigen Aufseher. Mein Herr war entzückt und gab mir eine Belohnung von vierzig Franken. Er sprach von mir bei den Viehhändlern wie von einem Aristides der Ochsentreiber. Ich war gewissermaßen das Tagesgespräch auf dem Viehmarkte von Sceaux; meine Kollegen waren wütend und hätten mich am liebsten totgeschlagen. Einer von ihnen, ein Bursche aus der Nieder-Normandie, der durch Kraft und Geschicklichkeit bekannt war, versuchte sogar, mir den Geschmack an meinem Metier zu verderben und die öffentliche Unzufriedenheit an mir zu rächen. Aber was vermochte ein Bauerntölpel gegen einen Schüler des großen Gouppy! … Der Niedernormanne unterlag in einem denkwürdigen Faustkampf.

Mein Herr, der immer zufriedener mit mir war, wollte mich durchaus noch auf ein Jahr als Aufseher behalten. Er versprach mir sogar einen kleinen Anteil am Reingewinn. Ich hatte keine Nachrichten von meiner Mutter bekommen; aber in dieser Situation hätte ich alles gehabt, was ich in Paris suchte; ein reichliches Auskommen, ein Kostüm, welches mich schließlich so gut verbarg, daß ich nicht entdeckt zu werden fürchtete. Bei einigen Abstechern nach Paris ging ich sogar absichtlich an einigen meiner alten Bekannten vorbei, ohne erkannt zu werden. Aber als ich eines Abends durch die Rue Dauphine ging, klopfte mir jemand auf die Schulter: mein erster Gedanke war zu fliehen, aber eine Reihe von Wagen versperrte mir gerade den Weg. Ich drehte mich um, und der erste Blick überzeugte mich, daß es blinder Schrecken gewesen war.

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Eugène François Vidocq: Landstreicherleben, Seite 159. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Landstreicherleben_159.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)