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Neuntes Kapitel


Das Bagno


Das Bagno von Brest liegt am Hafen. Pyramiden von Flinten und zwei Kanonen, die vor den Toren aufgepflanzt starrten, wiesen den Eingang. Ich wurde nacheinander von allen Wachen durchsucht. – Die frechsten Verurteilten gestanden mir, es sei ihnen unmöglich gewesen, beim ersten Anblick dieses Ortes des Elends eine fürchterliche Aufregung zu unterdrücken. Jeder Saal enthielt achtundzwanzig lange Pritschen, auf denen sechshundert Bagnosträflinge in Ketten lagen. Die langen Reihen von roten Röcken, rasierten Köpfen, hohlen Augen, bedrückten Gesichtern, das unablässige Geklirr der Ketten, – alles wirkte zusammen, um die Seele in einen dunklen Schauder zu versetzen.

Der Verurteilte fühlt, daß er sich hier vor niemandem zu schämen hat. Jeder stellt sich so, als sei er ein größerer Verbrecher und wilderer Zyniker als seine Kameraden, oft nur, um den groben Quälereien der Gefährten zu entgehen.

Ein ehemaliger Bischof hatte alle Ausbrüche der verworfenen Spaßhaftigkeit der Bagnosträflinge zu erdulden. Sie nannten ihn nur „Ehrwürdiger Vater“. Sie forderten seinen Segen für alle möglichen Obszönitäten und Schweinereien. In jedem Augenblick zwangen sie ihn, sein früheres Amt durch ruchlose Worte zu entheiligen. Dadurch, daß er seine Gotteslästerungen immer von neuem wiederholte, wurde er endlich die Quälereien los. Später wurde er Kantinenwirt des Bagno.

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Eugène François Vidocq: Landstreicherleben, Seite 134. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Landstreicherleben_134.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)