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hatte, niedergestreckt hatten, gab ein Pfiff den Befehl zu absolutem Schweigen; die Stille durfte nicht einmal durch ein Stöhnen unterbrochen werden, wenn die Stockknechte, um die Stallwache am anderen Ende des Stalles abzulösen, über unsere Körper hinschritten.

Das Abendessen bestand aus einer Art Bohnensuppe und einigen Stücken halb verdorbenen Fleisches. Die Austeilung geschah in Holzkübeln, die je dreißig Portionen enthielten. Der Küchenmeister, mit einem Schöpflöffel in der Hand, rief: „Eins, zwei, drei, vier, nimm deine Schüssel, Lump!“ Der Wein wurde in denselben Schüsseln verteilt, aus denen man seine Suppe und Fleisch verzehrt hatte. Dann nahm ein Stockknecht die Pfeife, die an seinem Kopfe hing, pfiff dreimal und rief: „Achtung, Bande! Antwortet mit ja oder nein! Habt ihr Brot gekriegt? Ja. Suppe? Ja. Fleisch? Ja. Wein? Ja … Nun, so schlaft oder tut wenigstens so!“

Auf der einen Seite lagen hundertfünfzig Menschen da, schlechter behandelt als Vieh, mit rollenden, stieren Augen, aus denen der Schmerz den Schlaf verjagte. Auf der anderen Seite stand die Tafel der acht Führer des Zuges: des Hauptmanns, des Leutnants und der Brigadeprofoßen; plump saßen sie zu Tisch und aßen gierig, ohne einen Augenblick ihre Karabiner oder ihre Stöcke aus den Augen zu lassen. Ein paar klein aufzuckende Lichter, die an den schwärzlichen Wänden des Stalls befestigt waren, warfen einen rötlichen Schein über diese Verzweiflung. Das Stillschweigen wurde nur durch dumpfe Seufzer und Kettengeklirre unterbrochen. Aber die Profoßen waren nicht damit zufrieden, kreuz und quer Schläge auszuteilen, sie fielen auch noch mit ihren schrecklichen Scherzen über die Verurteilten her. Aus dem Dunkel der Masse rief ein Durstgepeinigter nach Wasser. Da schrien sie ganz laut: „Wer Wasser will, soll die Hand aufheben.“ Der Unglückliche tat das ohne Mißtrauen, und sofort wurde er ohnmächtig geprügelt. – Die, welche Geld hatten, wurden freilich geschont; aber ihrer gab es

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Eugène François Vidocq: Landstreicherleben, Seite 130. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Landstreicherleben_130.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)