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Tagen die Ketten durchsägt, eine Kittschicht verbarg die Spuren der Feile vor den Augen der Wächter.

Wir treten in den Wald ein. An einer bestimmten Stelle ertönt das Signal, die Ketten fallen, wir springen aus den Wagen, in denen wir eingepfercht sind, und gewinnen das Freie. Aber die fünf Gendarmen und acht Dragoner, die unsere Eskorte bilden, verfolgen uns, mit dem Säbel in der Hand. Wir verschanzen uns hinter den Bäumen, mit Steinen bewaffnet, die wir vom Wege auflesen, und einigen Waffen, die wir im ersten Moment der Verwirrung an uns gerissen haben. Die Soldaten zögern einen Augenblick, aber da sie gut bewaffnet und zu Pferde sind, so ermannen sie sich bald. Auf den ersten Schuß fallen zwei von uns tot hin, fünf sind schwer verwundet, und die übrigen werfen sich auf die Knie und bitten um Gnade. Wir mußten uns also ergeben. Desfosseux, ich und einige andere, die sich noch hielten, bestiegen wieder den Karren. Hurtrel, der in respektvoller Entfernung vom Scharmützel gestanden hatte, lief jetzt auf einen der Unglücklichen zu, der ihm nicht schnell genug ging, und versetzte ihm einen Säbelhieb in den Rücken. Eine solche Niedertracht empörte uns. Die Arrestanten, die ihre Plätze noch nicht wieder eingenommen hatten, ergriffen wieder Steine, und ohne die Dragoner wäre Hurtrel totgeschlagen worden. Dieser Vorfall machte den Quälereien Hurtrels ein Ende: von nun an näherte er sich uns nur noch zitternd.

In Senlis brachte man uns in ein Untersuchungsgefängnis, das zu den widerwärtigsten gehörte, die ich kenne. Da der Aufseher zugleich das Amt eines Feldhüters versah, so wurde das Haus von seiner Frau verwaltet, und was für einer Frau! Da wir besonderer Obhut empfohlen waren, suchte sie an uns die verborgensten Stellen ab, um sich zu überzeugen, daß wir nichts hätten, das einer Flucht dienen könnte. Einmal waren wir gerade dabei, die Mauern abzutasten, als wir eine heisere Stimme schreien hörten. „Bande! Wenn ich erst mit meiner

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Eugène François Vidocq: Landstreicherleben, Seite 120. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Landstreicherleben_120.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)