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er paßte noch nicht; erst nach mehreren Versuchen und zahlreichen Nachfeilungen konnte er unseren Zwecken dienen.

Nun waren wir Herren der Tür; es blieb uns nur noch übrig, ein Loch in der Mauer zu machen, die an den Speicher des Gefängnisses stieß. Ein gewisser Sallambier, der die letzte Zelle auf der Etage innehatte, fand ein Mittel, dieses Loch herzustellen: er durchschnitt eine der Bohlen. Alles war nun zur Flucht bereit, sie sollte am Abend stattfinden, – da kam der Schließer und brachte mir die Nachricht, daß meine Haft in der Zelle zu Ende sei, ich würde nun mit den anderen zusammengesperrt werden.

Wohl nie wurde eine Gnade mit weniger Enthusiasmus aufgenommen, als diese. Alle meine Vorbereitungen waren also nichtig, und ich konnte wohl lange warten, bis eine so günstige Gelegenheit sich wieder bot. Ich mußte jedoch gute Miene zum bösen Spiel machen, und so folgte ich dem Schließer, den ich mitsamt seiner Gratulation zum Teufel wünschte. Diese Wendung versetzte mich in eine so gereizte Stimmung, daß alle Gefangenen es merkten. Einer von ihnen, dem ich den Grund meiner Niedergeschlagenheit anvertraute, machte mich ganz richtig darauf aufmerksam, welche Gefahr ich liefe, wenn ich mit Menschen wie Sallambier und Duhamel entflohen wäre, Menschen, die vielleicht keine vierundzwanzig Stunden abgewartet hätten, um wieder einen Mord zu begehen. Er redete mir zu, sie allein ziehen zu lassen und auf eine andere Gelegenheit zu warten. Ich folgte seinem Rat, und das bekam mir wohl. Ich trieb die Vorsicht sogar so weit, daß ich dem Duhamel und Sallambier sagen ließ, man schöpfe gegen sie Verdacht, so daß sie keinen Augenblick zu verlieren hätten, um zu fliehen. Sie nahmen den Rat buchstäblich, und zwei Stunden später waren sie bereits bei einer Räuberbande. Die Bande bestand aus siebenundvierzig Personen, von denen achtundzwanzig den folgenden Monat zu Brügge hingerichtet wurden.

Die Flucht von Duhamel und Sallambier machte viel Aufsehen

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Eugène François Vidocq: Landstreicherleben, Seite 106. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Landstreicherleben_106.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)