Seite:Landstreicherleben 089.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

unsere Pläne zuschanden machte. Endlich zeigte sich die einzige Gelegenheit, die einen glücklichen Erfolg verhieß. Ich ergriff diese Gelegenheit, ohne daß meine Gefährten, so abgefeimt sie waren, auch nur daran gedacht hatten. Man hatte uns, ungefähr achtzehn an der Zahl, ins Verhör abgeführt. Wir befanden uns im Vorzimmer des Untersuchungsrichters, waren bewacht von zwei Liniensoldaten und zwei Gendarmen, deren einer seinen Hut und seinen Mantel neben mir abgelegt hatte, um ins Verhandlungszimmer einzutreten. Sein Kamerad wurde bald von einem Glockenzeichen ebenfalls ins Verhandlungszimmer abgerufen. Sofort setze ich den Hut mir auf den Kopf, hülle mich in den Mantel, und indem ich einen Gefangenen fest unterm Arm packe, als wollte ich ihn zum Bedürfnisorte führen, begebe ich mich zur Tür. Der wachhabende Korporal öffnet mir die Tür, und wir sind draußen. Aber was nun ohne Geld und ohne Papiere? Mein Genosse gewinnt das Weite. Ich dagegen, auf die Gefahr hin, noch einmal gefangen zu werden, begebe mich zu Francine; in der Freude des Wiedersehens entschließt sie sich, ihre Möbel zu verkaufen, um mit mir nach Belgien zu fliehen. Dieser Entschluß wurde auch ausgeführt. Und wir waren gerade im Begriff, die Reise anzutreten, als einer der unerwartetsten Zufälle, den nur meine ganz unbegreifliche Sorglosigkeit erklärlich machen kann, alles über den Haufen warf. Am Abend vor unserer Abreise begegne ich in der Dämmerung einer Frau aus Brüssel, namens Elisa, mit der ich vertraute Beziehungen gehabt hatte. Sie fällt mir um den Hals, entführt mich zum Abendessen mir ihr; sie triumphiert schließlich über meinen schwachen Widerstand und behält mich bis zum anderen Morgen bei sich. Francine hatte mich überall gesucht, und ich machte ihr weis, daß ich von Polizeibeamten verfolgt gewesen und gezwungen worden sei, mich in ein Haus zu flüchten, das ich erst bei Tagesanbruch hätte verlassen können. Zuerst war sie auch davon überzeugt; aber der Zufall spielte ihr die Entdeckung zu, daß ich die Nacht bei einer Frau verbracht hatte; grenzenlos

Empfohlene Zitierweise:
Eugène François Vidocq: Landstreicherleben, Seite 89. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Landstreicherleben_089.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)