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sagen, sie sollte mir Asche in meine Tasche stecken, während Louis und ich einen Schnaps miteinander tranken. Dann machten wir uns auf den Weg zum Gefängnis. Aber sowie wir in einer einsamen Straße angekommen sind, werfe ich ihm eine Handvoll Asche in die Augen und laufe aus allen Kräften in meinen Schlupfwinkel zurück.

Louis hatte die Sache angezeigt und so schickte man die Gendarmerie und die Polizeiagenten auf meine Spuren, unter ihnen auch einen Kommissar namens Jacquard; und der behauptete, mich einfangen zu können, falls ich die Stadt noch nicht verlassen hätte. Alle diese Anordnungen waren mir bekannt. Aber statt nun ein bißchen Vorsicht in meine Handlungen zu setzen, befleißigte ich mich der lächerlichsten Prahlereien. Man hätte denken können, ich sollte selber einen Teil von der Belohnung bekommen, die auf meine Verhaftung gesetzt war. Aber wie kräftig ich gejagt war, davon kann man sich aus folgendem einen Begriff machen.

Jacquard erfährt eines Tages, daß ich in einem Rendezvous-Hause zu Mittag essen werde. Er eilt mit vier Agenten herbei, läßt sie im Erdgeschoß und steigt hinauf in das Zimmer, wo ich mich eben mit zwei Mädchen zu Tisch setzen will. Eine vierte Person, die mit von der Partie sein sollte, war nicht gekommen. Ich erkenne sofort den Kommissar und er, der mich nie gesehen hatte, kann nicht denselben Vorteil haben; übrigens hätte meine Verkleidung auch alle Signalements der Welt zunichte gemacht. Ohne auch nur im geringsten in Verwirrung zu geraten, gehe ich auf ihn zu, und im allernatürlichsten Tonfall bitte ich ihn, mit mir in ein Kabinett zu gehen, dessen Glastür auf den Speisesaal hinausführte: „Sie suchen Vidocq? … Wenn Sie zehn Minuten warten wollen, werde ich ihn Ihnen zeigen … Da ist sein Gedeck, er kann nicht lange auf sich warten lassen … In dem Moment, wo er eintritt, gebe ich Ihnen ein Zeichen; aber Sie sind ja allein, ich zweifle, daß es Ihnen glücken wird, ihn festzunehmen, denn er ist bewaffnet

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Eugène François Vidocq: Landstreicherleben, Seite 86. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Landstreicherleben_086.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)