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Vier Tage lang machten wir solche Abstecher auf verschiedene Pachthöfe, und jeden Abend bekam ich zwei bis drei Kronen. Christian, den man nur Caron nannte, war in dieser Gegend von Brabant sehr bekannt; aber nur als Arzt: denn obgleich er überall seine Wechselgeschäfte betrieb, so begann das Gespräch doch immer zuerst mit Krankheiten von Menschen oder Tieren. Ich merkte auch bald, daß er im Rufe stand, er könne Verhexungen, die man den Tieren angetan habe, haben.

Ein Vorschlag, den er mir machte, als wir in ein Dorf eintraten, mußte mich in die Geheimnisse seiner Magie einweihen. „Kann ich mich auf dich verlassen?“ fragte er, indem er ganz plötzlich stehen blieb. „Ganz sicher,“ antwortete ich, „aber ich müßte noch wissen, worum es sich handelt …“ „Dann hör’ zu und sieh dir das an …“ Er nahm nun aus einem Geldgurt vier viereckige Päckchen, wie sie die Apotheker machen, die irgendwelche Drogen zu enthalten schienen. Dann sagte er mir: „Du siehst jene vier Pachthöfe da, die in einiger Entfernung voneinander liegen. Du mußt dich da von der Rückseite einschleichen und dabei aufpassen, daß niemand dich sieht; … du gehst in den Stall und wirfst das Pulver von jedem Päckchen in den Futtertrog … vor allem paß gut auf, daß man dich nicht sieht … das übrige ist meine Sache!“ Ich machte Einwürfe: man konnte mich im Augenblick, wo ich über den Zaun stieg, ertappen, mich festhalten und mir peinliche Fragen vorlegen. Ich schlug es ihm daher trotz der Aussicht auf das Geld direkt ab. Alle Beredsamkeit Christians scheiterte an meinem Entschluß. Ich sagte ihm sogar, ich würde ihn auf der Stelle verlassen, wenn er mir nicht seinen wahren Stand und das Geheimnis des Geldwechselns, das mir mordsmäßig verdächtig schien, mitteilte. Diese Erklärung schien ihn sehr in Verlegenheit zu setzen und er dachte dran, sich aus der Sache zu ziehen, indem er mir eine, wie man bald sehen wird, halbe Beichte ablegte.

„Ein Vaterland,“ sagte er, „habe ich nicht. Meine Mutter wurde im vorigen Jahr in Temesvar gehängt; sie gehörte zu

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Eugène François Vidocq: Landstreicherleben, Seite 75. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Landstreicherleben_075.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)