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uns am anderen Morgen um fünf Uhr zu treffen und abzureisen.

Ich war pünktlich da. Mein Mann sah sich meinen Koffer an, den ein Dienstmann trug, und sagte, ich brauchte ihn nicht, da wir nur drei Tage abwesend seien und den Weg zu Fuß machen würden. Ich schickte also meine Sachen ins Wirtshaus zurück, und wir begannen ziemlich schnell zu marschieren, denn wir mußten, wie mir mein Führer sagte, noch fünf Meilen vor Mittag zurücklegen. Wir kamen auch wirklich um die Mittagszeit an einer abgelegenen Pächterswohnung an. Er wurde mit offenen Armen aufgenommen, und man nannte ihn Herrn Caron, während ich ihn doch unter dem Namen Christian kennen gelernt hatte. Er sprach mit dem Pächter einige Worte, und der ging in sein Zimmer und kam mit mehreren Geldbeuteln zurück, in denen Sechsfrankentaler waren, die er alle auf dem Tisch aufzählte. Mein Chef nimmt sie, prüft sie alle, einen nach den anderen, mit einer Aufmerksamkeit, die mir gemacht erschien; legt hundertfünfzig von ihnen zur Seite, zählt die gleiche Summe in verschiedenen Geldstücken dem Pächter auf und gibt ihm noch sechs Kronen darauf. Ich verstand nichts von diesem Geschäft, das überdies in flämischem Dialekt, den ich nur sehr unvollkommen sprach, abgemacht wurde. Ich war daher sehr erstaunt, als Christian mir nach Verlassen des Pachthofes drei Kronen gab und mir sagte, ich solle auch meinen Teil am Gewinn haben. Ich konnte nicht ersehen, wo denn der Gewinn lag, und das bemerkte ich ihm auch. „Das ist mein Geheimnis,“ antwortete er mir mit mysteriöser Miene, „du wirst es später erfahren, wenn ich zufrieden mit dir bin.“ Ich entgegnete, wegen meiner Verschwiegenheit könne er ganz ruhig sein, denn ich wisse ja wahrhaftig nichts, außer daß er Taler gegen andere Münzen einwechsele. Da sagte er mir, gerade das müsse man verschweigen, um der Konkurrenz aus dem Wege zu gehen. Ich ließ mir das gesagt sein und nahm das Geld, ohne recht zu wissen, wie die Sache sich verhalte.

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Eugène François Vidocq: Landstreicherleben, Seite 74. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Landstreicherleben_074.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)