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daß seine Unterhaltung mit der Baronin sich nur auf mich allein bezogen habe, und daß er meine Angelegenheiten dermaßen gefördert habe, daß er die Baronin sogar nunmehr für geneigt halte, mich zu … zu heiraten.

Ich glaubte zuerst, mein armer Kamerad habe den Verstand verloren. Eine der vornehmsten und reichsten Frauen des Landes sollte einen Abenteurer heiraten, von dem sie weder Familie, noch Vermögen, noch Vergangenheit kannte? Das konnte auch den Leichtgläubigsten stutzig machen. Ueberdies sollte ich mich wirklich in eine Gaunerei einlassen, die früher oder später entdeckt werden und mich verderben mußte? War ich nicht schließlich richtig und gesetzlich in Arras verheiratet? Diese Einwände und noch andere mehr, die mir eine Art von Gewissensbissen eingaben, um mich davon abzuhalten, jene herrliche Frau, die mich mit Freundschaftsbezeugungen überhäufte, zu täuschen – diese Einwände, sage ich, machten auf meinen Partner nicht den geringsten Eindruck. Er antwortete mir:

„Alles, was du mir da sagst, ist ja sehr schön; ich bin ganz deiner Meinung, und um meiner natürlichen Neigung für die Anständigkeit zu folgen, fehlt mir bloß eine Rente von zehntausend Livres. Aber ich sehe keinen Grund, hier Skrupel zu haben. Was will die Baronin? Einen Mann, und einen Mann, der ihr gefällt. Bist du nicht dieser Mann? Hast du nicht die Absicht, sie so rücksichtsvoll wie möglich zu behandeln, wie jemanden, der uns nützlich ist und über den wir uns nie zu beklagen gehabt haben. Du sprichst mir von der Verschiedenheit der Vermögen; aber darauf sieht die Baronin nicht. Dir fehlt nur eine Sache, damit du ganz für sie paßt: nämlich Titel! Gut, ich verleihe dir welche … Ja, ich verleihe dir welche! … Du brauchst mich gar nicht so mit großen Augen anzusehen, hör’ nur zu, damit ich nicht zweimal zu reden brauche … Du kennst doch sicher irgendeinen Edelmann aus deinem Lande, der in deinem Alter steht … Dieser Edelmann bist du, deine Eltern sind ausgewandert; sie sind jetzt in Hamburg. Du bist nach Frankreich

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Eugène François Vidocq: Landstreicherleben, Seite 62. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Landstreicherleben_062.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)