Seite:Landstreicherleben 027.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

den Gendarm,“ ruft er ungeduldig, und beim drittenmal dreht er sich um und erblickt uns in süßer Umschlingung. Elisa überrascht, besinnt sich auf eine Entschuldigung, aber ihr Mann hört gar nicht hin, schreit weiter: „Den Gendarm!“ und sticht ihr den Haken, an dem die Puppe hängt, ins Auge. Im selben Moment fließt Blut, die Vorstellung ist unterbrochen, eine Schlacht entbrennt zwischen den beiden Eheleuten, die Bude wird umgeworfen, und wir stehen unbedeckt da inmitten eines großen Kreises von Zuschauern, bei denen diese Szene schallendes Gelächter und Beifallsklatschen hervorruft.

Dieser Skandal setzte mich von neuem aufs Pflaster. Ich wußte nicht, wohin nun. Wenn ich noch wenigstens anständige Kleidung gehabt hätte, dann hätte ich irgendeine Dienerstellung in irgendeinem feinen Hause bekommen können. Aber mein Aussehen war so erbärmlich, daß niemand etwas recht mit mir zu tun haben wollte. In meiner Lage konnte ich eigentlich nur einen Entschluß fassen: das war, nach Arras zurückzukehren. Aber wovon sollte ich bis dahin leben? Ich war eine Beute meiner Verlegenheit. Da ging ein Mann an mir vorüber, den ich seinem Aussehen nach für einen Hausierer hielt. Ich ließ mich mit ihm in eine Unterhaltung ein und erfuhr, daß er nach Lille ginge, und daß er Pülverchen, Opiate und Elixiere vertreibe, Hühneraugen schnitte, Geschwüre aufsteche und sich hier und da auch erlaube, Zähne zu ziehen.

„Das ist ein gutes Handwerk,“ sagte er, „aber ich werde alt. Ich brauchte jemanden, der mir mein Bündel trägt; so einen Windhund, wie Sie, könnte ich gebrauchen; gut zu Fuße, sicheres Auge; wenn Sie wollen, machen wir den Weg zusammen.“

„Ich will schon,“ sagte ich. Und ohne daß zwischen uns des längeren und breiteren ein Vertrag geschlossen worden wäre, setzten wir unseren Weg gemeinsam fort.

Wir waren acht Stunden marschiert; die Nacht brach herein, und wir sahen kaum mehr den Weg vor uns. Endlich machten wir vor einem elenden Dorfwirtshaus halt.

Empfohlene Zitierweise:
Eugène François Vidocq: Landstreicherleben, Seite 27. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Landstreicherleben_027.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)