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Das Schicksal vereitelte diesen Plan: der Hafen von Dünkirchen war von allen Schiffen verlassen. Ich begab mich nach Calais, um mich auf der Stelle einzuschiffen. Aber man verlangte einen Preis von mir, der die Summe, welche ich besaß, überstieg. Man machte mir Hoffnung, daß in Ostende die Überfahrt weniger kosten würde, der Konkurrenz wegen. Ich machte mich dorthin auf, aber ich fand da die Kapitäne nicht umgänglicher als in Calais. Durch alle die Enttäuschungen war ich in jene Abenteurerstimmung gekommen, in der man sich gern dem ersten besten in die Arme wirft, und ich weiß nicht recht, warum ich erwartete, irgendeinen Gemütsmenschen zu treffen, der mich umsonst an Bord nähme oder mir wenigstens einen bedeutenden Preisnachlaß gewährte, nur um meiner schönen Augen willen; oder zumindest wegen des Interesses, das ein junger Mann immer einflößt. Während ich, ganz im Bann dieser Idee, umherspazierte, wurde ich von einem Menschen angesprochen, dessen wohlwollendes Gehaben mich glauben ließ, daß meine Glückshoffnung sich erfüllen sollte. Die ersten Worte, die er an mich richtete, waren Fragen. Er hatte gemerkt, daß ich Fremder war; er teilte mir mit, daß er Schiffsmakler sei, und als ich ihm von dem Zwecke meines Aufenthaltes in Ostende Kenntnis gab, bot er mir seine Dienste an.

„Ihr Gesicht gefällt mir,“ sagte er; „ich liebe die offenen Gesichter; in Ihren Zügen herrscht eine gewisse Freimut und Herzlichkeit, die ich gern habe: Und ich will’s Ihnen beweisen! Ich will machen, daß Sie Ihre Überfahrt für beinahe nichts kriegen.“ – Ich bezeugte ihm meine Dankbarkeit. „Keinen Dank, mein Freund; wenn Ihre Sache geordnet ist, dann schön; und ich hoffe, sie wird’s bald sein. Aber unterdessen werden Sie sich doch hier langweilen?“ Ich antwortete ihm, daß ich mich wirklich nicht allzusehr amüsierte. „Wenn Sie mit mir nach Blankenberghe kommen wollen, so essen wir dort zur Nacht, bei netten Leuten, die ganz verrückt nach Franzosen sind.“

Der Makler erwies mir so viel Gefälligkeiten, er lud mich

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Eugène François Vidocq: Landstreicherleben, Seite 19. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Landstreicherleben_019.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)