Seite:Landstreicherleben 014.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

und wagehalsigsten Schurken haben vor Entsetzen erstarren lassen.

Das Haus meines Vaters lag in der Nähe der Kaserne auf einem Platz, wo sich alle Lümmel des Viertels trafen. So kam ich schon frühzeitig dazu, meine Muskelkräfte zu üben, indem ich regelmäßig meine Kameraden durchbläute – und deren Eltern beschwerten sich natürlich sogleich bei den meinen. Im Hause meiner Eltern hörte man nur noch von eingerissenen Ohren, blaugeschlagenen Augen, zerfetzten Kleidern reden: Mit acht Jahren war ich der Schrecken aller Hunde, Katzen und Kinder aus der Nachbarschaft; mit dreizehn handhabte ich ein Florett schon so gut, daß ich nicht den Kürzeren zu ziehen brauchte. Mein Vater, der bemerkte, daß ich bei den Militärs der Garnison herumlag, war durch meine Fortschritte ziemlich beunruhigt und befahl mir, mich zu meiner ersten Kommunion anzuschicken: zwei Betbrüder übernahmen es, mich auf diesen feierlichen Akt vorzubereiten. Gott mag wissen, welche Frucht ich aus ihren Unterweisungen gezogen habe! Ich begann zur selben Zeit in den heiligen Stand der Bäckerei zu treten; das war der Beruf meines Vaters; er wollte, ich solle sein Nachfolger werden, obwohl ich einen älteren Bruder hatte.

Zunächst bestand meine Tätigkeit in der Hauptsache darin, Brot in die Stadt zu tragen. Ich benützte diese Gänge, um häufige Besuche im Fechtsaal zu machen. Meine Eltern wußten das wohl, aber die Köchinnen hielten so großartige Lobreden über meine Nettigkeit und Pünktlichkeit, daß die Eltern über manchen Seitensprung ein Auge zudrückten. Diese Duldsamkeit währte so lange, bis sie eines Tages in der Ladenkasse – von der sie nie den Schlüssel abzogen – ein Defizit feststellten. Mein Bruder, der die Kasse mit mir um die Wette ausnahm, wurde auf frischer Tat ertappt und zu einem Bäcker in Lille verbannt. Am Tage nach diesem Strafvollzug, dessen Grund man mir nicht mitgeteilt hatte, schickte ich mich an, wie gewöhnlich an die Untersuchung des glückspendenden Kästchens zu gehen; ich bemerkte,

Empfohlene Zitierweise:
Eugène François Vidocq: Landstreicherleben, Seite 14. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Landstreicherleben_014.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)